In der Entscheidung „Fluid Distribution“ bestätigt das EuG die Nichtigerklärung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters infolge technisch bedingter Erscheinungsmerkmale. Nach Ansicht des Gerichtes unterscheide sich das Gemeinschaftsgeschmacksmuster nicht von dem parallel angemeldeten Patent. Alle Einzelelemente, aus denen sich das visuelle Erscheinungsbild des betreffenden Erzeugnisses zusammensetze, würden eine technische Funktion erfüllen. Nicht-technisch bedingte visuelle Aspekte seien nicht in den Gestaltungsprozessen einbezogen worden.
EuG, Urteil vom 18. November 2020, T-574/19 (Fluid Distribution)
Gegenstand der Klage vor dem EuG war ein Nichtigkeitsverfahren gegen das Gemeinschaftsgeschmacksmuster 1431829-0001 für eine „Vorrichtung zur Verteilung von Flüssigkeiten“ in der folgenden Darstellung:
Das dahinterstehende Erzeugnis ist eine sogenannte „Wasserbombenmaschine“ mit der mehrere Dutzend Ballons auf einmal mit Wasser befüllt werden können, vgl.:
Parallel zum Gemeinschaftsgeschmacksmuster meldete die Designinhaberin ein europäisches PatentEP3005948A2 „Vorrichtung, System und Verfahren zum Befüllen von Behältern mit Flüssigkeiten“ an. Die Patentanmeldung enthielt u. a. folgende Zeichnungen:
Praxishinweis
Das Urteil setzt die Vorgaben des EuGH aus der
„DOCERAM“-Entscheidung um. Das Gericht bewertet die parallele Patentanmeldung als Indiz dafür, dass sämtliche Erscheinungsmerkmale technisch bedingt seien. Hierbei stellt auch das EuG klar, dass es nicht darauf ankomme, ob die technische Funktion mit alternativen Gestaltungselementen ebenso realisiert werden könnte. Das Vorliegen von Designalternativen sei bei der Beurteilung der technischen Bedingtheit eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters nicht maßgeblich.
Werden die Merkmale des Gemeinschaftsgeschmacksmusters in einer Patentschrift unter Verwendung einer dem Design im Wesentlichen entsprechenden Zeichnung beschrieben, besteht ein erhöhtes Risiko für die Nichtigerklärung des parallelen Gemeinschaftsgeschmacksmusters. Vor diesem Hintergrund sollte der Designanmelder bei der Anmeldestrategie sorgfältig abwägen, ob der Schwerpunkt der Erzeugnisgestaltung auf ästhetischen Elementen beruht oder das Erscheinungsbild überwiegend aus technischen Erwägungen gewählt wurde. Im letzteren Fall wären technische Schutzrechte, wie Patente und Gebrauchsmuster, zu favorisieren. Sofern parallele Schutzrechtsanmeldungen erfolgen, sollte davon abgesehen werden, dieselben Zeichnungen sowohl als Grundlage für die Designanmeldung wie auch für die technischen Schutzrechte zu verwenden. Schließlich ist zu raten, den Nachweis ästhetischer Erwägungen bei der Gestaltung nicht durch den Entwerfer, sondern eine unabhängige Stelle (z.B. Sachverständigen) zu führen.