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31. Januar 2022

Geplante Änderungen des Deutschen Corporate Governance Kodex 2022

  • In-depth analysis

Die Regierungskommission hat Ende Januar die Vorschläge für Änderungen des Deutschen Corporate Governance Kodex‘ (DCGK) für deutsche börsennotierte Gesellschaften auf ihrer Webseite veröffentlicht und erläutert. Zugleich wurde das Konsultationsverfahren eröffnet. Die geplanten Änderungen betreffen die Förderung einer nachhaltigen Corporate Governance sowie eine Anpassung des DCGK an das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG) sowie – in geringerem Umfang – an das zweite Führungspositionen-Gesetz (FüPoG II). Dieser Beitrag soll einen ersten Überblick geben.

1. Nachhaltigkeit

Die Begriffe „ESG“, „CSR“ und „Nachhaltigkeit“ fehlen aktuell in kaum einer Debatte. Trotz oder gerade wegen der Pandemie haben sich viele Kapitalmarktteilnehmer entsprechende Forderungen auf die Fahnen geschrieben. Mit der avisierten Kodexreform nimmt sich nun auch die Regierungskommission der Nachhaltigkeitsthematik an. Nach den Worten des Kommissionsvorsitzenden Prof. Dr. Rolf Nonnenmacher sei „Aufgabe der Unternehmensführung (…), die wirtschaftlichen Erfordernisse und die ökologischen und sozialen Folgen der Unternehmenstätigkeit auszutarieren“.

Diesen Gedanken reflektiert der Kodexentwurf bereits in der Prämbel. Demnach beeinflussen Sozial- und Umweltfaktoren den Unternehmenserfolg, während nach dem neuen Wortlaut „die Tätigkeiten des Unternehmens Auswirkungen auf Mensch und Umwelt haben“. Vorstand und Aufsichtsrat berücksichtigten dies bei der Führung und Überwachung des Unternehmens. Hintergrund ist nach der Begründung die zunehmende Konkretisierung der Erwartungen an die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsfaktoren bei der Unternehmensführung.

Nach der Empfehlung A.1 soll der Vorstand die mit den erwähnten Sozial- und Umweltfaktoren verbundenen Risiken und Chancen für das Unternehmen sowie die ökologischen und sozialen Auswirkungen der Unternehmenstätigkeit systematisch identifizieren und bewerten. Ferner soll die Unternehmensstrategie Auskunft darüber geben, wie die wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Ziele in einem ausgewogenen Verhältnis umzusetzen sind. Die Unternehmensplanung soll schließlich finanzielle und nachhaltigkeitsbezogene Ziele enthalten.

Nach der Empfehlung A.3 soll das interne Kontroll- und Risikomanagementsystem insbesondere auf nachhaltigkeitsbezogene Belange ausgerichtet sein. Dies soll die Prozesse und Systeme zur Erfassung und Verarbeitung nachhaltigkeitsbezogener Daten einschließen.

Die Regierungskommission begründet die geplanten Änderungen insbesondere mit der interessenpluralistische Zielkonzeption des Aktiengesetzes, nach der die Unternehmensführung die Interessen und Erwartungen der Aktionäre und der weiteren Stakeholder einschließlich der Gesellschaft verstehen, in einen Ausgleich zu bringen und auf dieser Grundlage Nachhaltigkeit in der Geschäftsstrategie zu verankern habe.

Der Aufsichtsrat soll nach der Empfehlung A.6 insbesondere überwachen,

  • wie die ökologische und soziale Nachhaltigkeit bei der strategischen Ausrichtung des Unternehmens und deren Umsetzung berücksichtigt wird,
  • dass strategische und operative Pläne finanzielle und nachhaltigkeitsbezogene Ziele umfassen,
  • dass das interne Kontroll- und Risikomanagementsystem auch auf nachhaltigkeitsbezogene Belange ausgerichtet ist.

Sofern der Aufsichtsrat ein Komptenzprofil für seine Besetzung ausgearbeitet hat, soll dieses auch Expertise zu den für das Unternehmen bedeutsamen Nachhaltigkeitsfragen umfassen (Empfehlung C.1).

2. FISG

Das FISG hat im vergangenen Jahr gerade für börsennotierte Unternehmen nicht unerhebliche Neuerungen etabliert. Schnell wurde an einzelnen Punkten eine Diskrepanz zum DCGK deutlich, die die Regierungskommission nun angeht.

Nachdem das FISG für eine ausdrückliche Pflicht zur Einrichtung eines internen Kontroll- und Risikomanagementsystems gesorgt und die Einrichtung eines Prüfungsausschusses verpflichtend vorgesehen hat, wurden die entsprechenden Kodexempfehlungen gestrichen bzw. angepasst. Teilweise wurden diese Änderungen mit der Stärkung der Nachhaltigkeitsaspekte verknüpft. Dies betrifft auch die oben erwähnten Ergänzungen zum Kontroll- und Risikomanagementsystem. Unter Transparenzgesichtspunkten wird dies flankiert durch die Empfehlung A.5, nach der im Lagebericht die wesentlichen Merkmale des internen Kontroll- und Risikomanagementsystems beschrieben werden sollen und zur Angemessenheit und Wirksamkeit dieser Systeme Stellung genommen werden soll.

Die Empfehlung D.3 zum Prüfungsausschuss erhielt einen neuen Wortlaut und hat nun insbesondere den Dialog mit dem Abschlussprüfer bzw. dem Finanzvorstand zum Gegenstand während der Ausschuss Angemessenheit und Wirksamkeit des internen Kontrollsystems und Risikomanagementsystems (einschließlich Compliance Management System) im Blick behalten soll.

Ferner regelt der Kodexentwurf in Empfehlung D.4 Näheres zum Sachverstand insbesondere des Ausschussvorsitzenden. Nach der bereits von der vergangenen Kodexreform bekannten Struktur sollen Einzelheiten hierzu in der Erklärung zur Unternehmensführung offengelegt werden.

Nach der neugefassten Empfehlung D.11 soll der Prüfungsausschuss regelmäßig mit dem Abschlussprüfer auch ohne den Vorstand tagen. Hierbei handelt es sich strukturell um eine Fortführung der Neufassung von § 109 Abs. 1 Satz 3 AktG nach dem FISG, nach dem der Vorstand an Aufsichtsrats- und Ausschusssitzungen nicht teilnimmt, wenn der Abschlussprüfer als Sachverständiger hinzugezogen wird, es sei denn, dass der Aufsichtsrat oder der Ausschuss erachtet seine Teilnahme für erforderlich.

 

3. FüPoG II

Durch das FüPoG II ergaben sich u.a. neue Regelungen zur Frauenquote und Gleichstellung im Aktienrecht. Insbesondere bei börsennotierten und sogleich (paritätisch/montan-) mitbestimmten Gesellschaften gilt nun auch für den Vorstand eine geschlechterspezifische Mindestbeteiligungsquote (§ 76 Abs. 3a Satz 1 AktG n.F.). Diesem Umstand trägt der teilweise neugefasste Grundsatz 9 Rechnung und sieht zudem vor, dass der Aufsichtsrat bei nicht börsennotierten oder nicht der paritätischen Mitbestimmung unterliegenden Unternehmen Zielgrößen für den Anteil von Frauen im Vorstand festlegt.

4. Zusammenfassung

Die vorgestellten Anpassungen zur Nachhaltigkeit stehen ausdrücklich auf dem Boden der aktuellen Debatte, die gesetzliche Ausprägungen bereits in verschiedener Weise erhalten hat und auch den Kapitalmarkt bewegt. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Kommission diese Themen stärker in den Mittelpunkt ihrer Arbeit bzw. des DCGK rückt und der Zeitpunkt erscheint keinesfalls verfrüht. Hierbei nimmt der Kodex im Sinne eines zeitgemäßen Pflichtengefüges insbesondere auch den Aufsichtsrat in die Pflicht. Das FISG löste nicht nur ein reines „Nachziehen“ des DCGK, sondern zugleich auch eine Konkretisierung entsprechender Passagen aus.

Eine eingehende Bewertung der geplanten Änderungen wird Gegenstand des Konsultationsverfahrens sein, an dem sich Taylor Wessing beteiligen wird.

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