18. Oktober 2021
Die Europäische Kommission hat am 12. Oktober 2021 an Standorten in mehreren Mitgliedstaaten unangekündigte Untersuchungen in den Geschäftsräumen von im Zellstoffsektor tätigen Unternehmen wegen mutmaßlich kartellrechtswidriger Verhaltensweisen durchgeführt.
Als zwei der ersten Unternehmen der europäischen Zellstoffindustrie haben UPM-Kymmene (Hersteller von Papier, Zellstoff und Holzprodukten) sowie Stora Enso (Forstunternehmen und Papier- sowie Verpackungsmittelhersteller) die Untersuchungen bestätigt. Auch Metsä Fibre, einer der führenden Hersteller von Zellstoff, hat die Nachprüfungen in den eigenen Geschäftsräumen durch die Europäische Kommission, mit Unterstützung der zuständigen nationalen Wettbewerbsbehörde, bestätigt.
Zellstoff wird zur Herstellung verschiedener Papiererzeugnisse verwendet und ist ein trockener Faserstoff aus Holz. Sollten die Untersuchungen tatsächlich kartellrechtswidrige Vereinbarungen bestätigen, sind alle geschädigten direkten und indirekten Abnehmer der Kartellanten berechtigt, wegen kartellbedingter Preisüberhöhungen Schadensersatz von allen Kartellanten, die als Gesamtschuldner haften, zu verlangen. Allem voran wären dies Hygienepapier-, Druckpapier-, Spezialpapier- und Kartonhersteller. Bei Kartellen, die sich über einen langen Zeitraum erstrecken, kann zudem ein erheblicher Zinsschaden geltend gemacht werden.
Im Falle einer rechtskräftigen Bußgeldentscheidung müssen die geschädigten Unternehmen den Verstoß der Kartellanten gegen das Kartellrecht nicht beweisen. Vielmehr sind die Gerichte an den Bußgeldbescheid der EU-Kommission gebunden.
Unternehmen, bei denen die Möglichkeit besteht, von den möglicherweise wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen betroffen zu sein, sollten Unterlagen, mit denen sie den Bezug von Produkten aus dem Zellstoffsektor nachweisen können (Vertragsunterlagen, Rechnungen, Zahlungsnachweise usw.) nicht vernichten (etwa wegen des Ablaufs handels- oder steuerrechtlicher Aufbewahrungspflichten), sondern dringend aufbewahren. Diese Dokumente sind grundsätzlich erforderlich, um in einem möglichen Schadensersatzprozess nachweisen zu können, dass und in welchem Umfang kartellierte Produkte bezogen wurden.
Die bislang vorliegenden Informationen, die sich aus der Pressemitteilung der EU-Kommission ergeben, sind nicht mit einer Feststellung von wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen der betreffenden Unternehmen gleichzusetzen, sie greifen dem Ergebnis der Untersuchung nicht vor. Sollte die EU-Kommission Verstöße gegen das EU-Kartellrecht feststellen und es erste Anhaltspunkte für eine eigene Betroffenheit geben, wird es spätestens für die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs erforderlich sein, dass die Geschädigten Einsicht in den Bußgeldbescheid der EU-Kommission erhalten. Dieser kann im Wege eines einstweiligen Verfügungsverfahrens direkt von den jeweiligen Kartellanten herausverlangt werden.
Die Kartellrechtspraxis von Taylor Wessing berät regelmäßig Mandanten in Kartellschadensersatzprozessen. Fragen zu potenziellen Schadensersatzansprüchen beantworten Ihnen gerne unsere Kartellrechtsexperten Dr. Stefan Horn und Dr. Marco Hartmann-Rüppel.
Überblick zu Spielervermittler-Reglements und Kartellrecht
von Dr. Stefan Horn, LL.B. und Lena Rindsfus