Autor

Florian Schulte

Senior Associate

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14. Oktober 2021

Änderung beim betrieblichen Eingliederungsmanagement – die „Vertrauensperson“

  • Briefing

I. Einleitung

Das betriebliche Eingliederungsmanagement, kurz „BEM“, ist ein elementarer Bestandteil des betrieblichen Gesundheitsschutzes und zudem in der Praxis faktisch eine notwendige Voraussetzung, wenn das Arbeitsverhältnis krankheitsbedingt gekündigt werden soll. Die richtige Durchführung des BEM beinhaltet allerdings einige Tücken – zur Gestaltung des Verfahrens berichteten wir bereits im Oktober 2020. Eine insbesondere für die Beschäftigten wichtige Frage ist dabei, wer an dem BEM Gespräch teilnehmen darf. Mit dem sog. Teilhabestärkungsgesetz ist im Juni 2021 insoweit eine für die Praxis relevante Änderung in Kraft getreten.

II. Teilnahmeberechtigter Personenkreis

Nach § 167 Abs. 2 Satz 1 SGB IX hat der Arbeitgeber mit Zustimmung und Beteiligung des betroffenen Arbeitnehmers zu klären, wie eine vergangene oder bestehende Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Zu erörtern sind diese Fragen nach dem Gesetz mit der zuständigen Interessenvertretung (Betriebs- oder Personalrat), ggf. einem Betriebs- oder Werksarzt, bei schwerbehinderten Menschen mit der Schwerbehindertenvertretung (soweit eine solche im Betrieb existiert) und in Ausnahmefällen mit Vertretern des Integrationsamtes.

Über diese im Gesetz genannten Stellen hinaus haben manche Arbeitgeber auch in der Vergangenheit schon die Hinzuziehung bestimmter Vertrauenspersonen, etwa des Ehepartners, gestattet. Umstritten war jedoch bislang, ob Beschäftigte einen durchsetzbaren Anspruch hierauf haben. Dies galt insbesondere für die Hinzuziehung eines eigenen Rechtsanwalts zu einem BEM Gespräch; einen solchen Anspruch hatte zuletzt das Landesarbeitsgericht Köln ausdrücklich verneint (Urt. v. 23.01.2020 – 7 Sa 471/19).

Mit Wirkung zum 10.06.2021 wurde durch das sog. Teilhabestärkungsgesetz (BGBl. I S. 1387 Nr. 29) allerdings ein neuer Satz 2 in § 167 Abs. 2 SGB IX eingefügt, welcher wie folgt lautet:

„Beschäftigte können zusätzlich eine Vertrauensperson eigener Wahl hinzuziehen.“

Nach der Gesetzesbegründung soll Beschäftigten hierdurch insbesondere auch in Betrieben ohne Interessenvertretung die Möglichkeit nach weiterer Unterstützung eingeräumt werden. In Abkehr von der bislang in der Rechtsprechung überwiegend vertretenen Auffassung dürften hiervon sogar auch externe Rechtsanwälte umfasst sein. Denn laut Gesetzesbegründung steht es den Beschäftigten frei, „selbst zu wählen, wer als Vertrauensperson am BEM-Verfahren teilnehmen soll. Dabei kann es sich um ein Mitglied der Interessenvertretung, eine Person aus dem Betrieb oder um eine Person außerhalb des Betriebes handeln. Die Entscheidung ob und gegebenenfalls wer hinzugezogen wird, liegt alleine bei den BEM-Berechtigten.“

Da es sich bei Rechtsanwälten unzweifelhaft um Personen außerhalb des Betriebes handelt, ist davon auszugehen, dass die Gerichte im Streitfall nunmehr einen Anspruch der Beschäftigten auf Hinzuziehung eines Rechtsbeistandes bejahen werden. Zu beachten ist zudem, dass der Arbeitgeber bereits im Einladungsschreiben auf die Teilnahmeberechtigung der in § 167 Abs. 2 SGB IX benannten Stellen hinweisen muss. In der Gesetzesbegründung des Teilhabestärkungsgesetzes heißt es diesbezüglich: „Die Arbeitgeber informieren die Beschäftigten über die Möglichkeit, eine Vertrauensperson hinzuzuziehen.“

III. Praxishinweis

Sollten Beschäftigte die Hinzuziehung einer Vertrauensperson ihrer Wahl verlangen, können Arbeitgeber dies nach der Neufassung des § 167 Abs. 2 SGB IX nicht länger mit Erfolg verweigern. Dies gilt auch und insbesondere für betriebsfremde Rechtsanwälte. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob sich dies in der Praxis tatsächlich auswirken wird, denn die Kosten für die Teilnahme eines Rechtsbeistandes an einem BEM Gespräch tragen in jedem Fall alleine die Beschäftigten.

Wird eine Vertrauensperson auf Seiten der Beschäftigten tätig und fragt etwa im laufenden BEM-Verfahren Unterlagen an, sollten sich Arbeitgeber (nicht zuletzt aus Datenschutzgründen) zunächst Gewissheit über die Bevollmächtigung verschaffen und eine Vollmacht einfordern.

Darüber hinaus sollten Arbeitgeber in jedem Fall sorgfältig auf die richtige Formulierung im BEM-Einladungsschreiben achten, denn Mängel hierbei führen zu einem fehlerhaften BEM insgesamt. Bislang war es ausreichend, im Einladungsschreiben abstrakt und allgemein auf das Recht zur Hinzuziehung der in § 167 Abs. 2 SGB IX genannten Stellen zu verweisen, sofern solche im Betrieb überhaupt existierten. Aufgrund der in der Gesetzesbegründung statuierten Verpflichtung der Arbeitgeber, die Beschäftigten über die Hinzuziehung einer Vertrauensperson zu informieren, besteht aber das Risiko, dass die Rechtsprechung eine ausdrückliche Information hierüber als Voraussetzung einer ordnungsgemäßen Einladung fordert. Es ist daher zu empfehlen, in den Einladungsschreiben explizit auf das Recht zur Hinzuziehung einer Vertrauensperson sowie – soweit vorhanden – der im Gesetz genannten Stellen (etwa eines Betriebsratsmitgliedes) hinzuweisen.

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