Autor

Dr. Jan Curschmann

Of Counsel

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21. Mai 2021

Eröffnung des Hamburg International Arbitration Center

  • Briefing

Bedeutung der Schiedsgerichtsbarkeit

Die Bedeutung der Schiedsgerichtsbarkeit als privat organisierter Form der Streitbeilegung ist ungebrochen – trotz gelegentlicher Unkenrufe. Die mitunter recht pauschal formulierte Kritik („Geheimjustiz“, „Intransparenz“) bezieht sich ohnehin in erster Linie auf die Investitionsschiedsgerichtsbarkeit, nicht indes auf die Handelsschiedsgerichtsbarkeit, die ihren Erfolg auf internationaler Ebene ganz wesentlich der annähernd weltweiten Vollstreckbarkeit von Schiedssprüchen auf Grundlage des New Yorker Abkommens von 1958 zu verdanken hat, mit derzeit 166 Vertragsstaaten (Stand Dezember 2020).

Als international wohl bedeutendste Schiedsinstitution gilt der ICC-Schiedsgerichtshof in Paris. In Deutschland kommt diese Rolle der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) zu. Aber: Gibt es in Deutschland eigentlich eine Stadt, die in der Schiedsgerichtsbarkeit eine führende Rolle einnimmt?

Eröffnung des HIAC im Oktober 2020

Für die Handelskammer (HK) Hamburg gibt es auf diese Frage eine klare Antwort: sie wirbt auf ihrer Internetseite mit dem Anspruch, Hamburg sei wegen seiner Tradition als internationale Handelsstadt mit großem Seehafen – dem drittgrößten Hafen Europas – und der Vielzahl ortsansässiger Schiedsinstitutionen mit eigener Administrierungskompetenz die deutsche Hochburg („Hauptstadt“) der internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit. Und in der Tat: Schon die schiere Anzahl hochspezialisierter Branchenschiedsgerichte und bi-regionaler Schiedsinstitutionen deutet darauf hin, dass die Aussage zutreffend sein könnte. Aber auch in der Sache ist der von der HK Hamburg erhobene Anspruch durchaus berechtigt, wie sich bei näherem Hinschauen erweist.

Um alle Kräfte zu bündeln und den ortsansässigen Schiedsinstitutionen eine gemeinsame Heimat zu verschaffen, hat die HK Hamburg am 17. Oktober 2020 an ihrem repräsentativen Standort im Stadtzentrum das „HIAC – Hamburg International Arbitration Center“ eröffnet. Die dortigen, mit moderner Konferenztechnik ausgestatteten Räumlichkeiten bieten hervorragende Voraussetzungen für die Durchführung von Schiedsverfahren jeder Größenordnung – von kleineren Verfahren mit Einzelschiedsrichter bis hin zu großen Mehrparteienverfahren. Alle gegebenenfalls erforderlichen Dienstleistungen wie Sekretariatskräfte und Dolmetscher, Hotels und Restaurants, Catering etc. stehen in unmittelbarer Nachbarschaft zur Verfügung. Auch das zur abendlichen Entspannung der am Schiedsverfahren Beteiligten wünschenswerte kulturelle Angebot ist beachtlich (u.a. Elbphilharmonie, Staatsoper und diverse Musicaltheater).

Tatsächlich sind Schiedsgerichtsbarkeit und Schiedsszene in Hamburg bemerkenswert aktiv und haben eine lange kaufmännische Tradition. Denn für Kaufleute ist diese Form der raschen, sachkundigen Streitregelung gegenüber dem Gang zur ordentlichen Gerichtsbarkeit schon immer vorzugswürdig gewesen. Dadurch erklärt sich, dass die HK Hamburg mit ihrem „Regulativ des Schiedsgerichts der Handelskammer Hamburg“ eine eigenständige, auf Streitigkeiten zwischen Kaufleuten ausgelegte Schiedsordnung mit vergleichsweise günstiger Kostenordnung hat, deren Schiedsverfahren sie auch selbst administriert. Mit diesem selbstbestimmten Weg hebt sie sich ab von den meisten Industrie- und Handelskammern anderer deutscher Großstädte. Denn deren eigene Schiedsordnungen – sofern vorhanden – regeln meist nur wenige, lokalspezifische Themen, u.a. zum Schiedsort, zur Zuständigkeit des Präses der jeweiligen Kammer für Schiedsrichterbenennungen etc. Im Übrigen verweisen sie auf die Schiedsordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) und überlassen auch die Administrierung der Verfahren der DIS. Dazu zählen bspw. die Schiedsordnungen der HK Frankfurt/Main, der IHK zu Köln und der IHK für München und Oberbayern.

Branchenschiedsgerichte und bi-regionale Schiedsinstitutionen

Besonders prägend für die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit in Hamburg sind aber die bereits erwähnten Branchenschiedsgerichte und bi-regionalen Schiedsinstitutionen mit jeweils eigener, auf die Besonderheiten der betreffenden Branche bzw. Region zugeschnittener Schiedsordnung. Einige von ihnen sind im neuen HIAC der HK Hamburg geschäftsansässig.

Dazu zählen:

  • das Schiedsgericht des Deutschen Kaffeeverbandes mit eigener Schiedsordnung, dessen Verfahren von der HK Hamburg administriert werden. Dieses Branchenschiedsgericht ist zuständig für Streitigkeiten aus Kaffeegeschäften, die auf Grundlage des European Contract der European Coffee Federation geschlossen wurden, mit Bestimmung von Hamburg als Schiedsort. Die Verfahren haben regelmäßig internationalen Bezug, da meistens wenigstens eine der Parteien aus dem Ausland kommt;
  • das auf Streitigkeiten aus Geschäften mit jeder Art von Getreiden, Hülsenfrüchten, Saaten und Futtermitteln spezialisierte Schiedsgericht des Vereins der Getreidehändler der Hamburger Börse, ferner das Schiedsgericht des Verbandes des Großhandels mit Ölen, Fetten und Ölrohstoffen – GROFOR. Die Schiedsordnungen dieser beiden Branchenverbände sehen als Besonderheit die Zweiinstanzlichkeit vor: Die Parteien eines Schiedsverfahrens können also Berufung zu einem Oberschiedsgericht einlegen, gegen einen erstinstanzlichen Schiedsspruch.


Weitere in Hamburg ansässige Schiedsgerichte mit jeweils eigener, (bisher noch) nicht beim HIAC ansässiger Geschäftsstelle und Schiedsordnung sind:


In Hamburg haben ferner zwei bi-regionale Schiedsinstitutionen ihren Sitz: das ELArb – European-Latinamerican Arbitration Center (im Folgenden ELArb) und das CEAC – Chinese-European Arbitration Center (im Folgenden CEAC). Beide Schiedsinstitutionen sind im HIAC der HK Hamburg geschäftsansässig, wegen ihres Spezialisierungsgrades und geringeren administrativen Aufwands im Vergleich zu den universell agierenden Schiedsinstitutionen wie bspw. der ICC deutlich kostengünstiger und administrieren ihre Schiedsverfahren jeweils selbst.
Das ELArb verfügt über eine moderne, im Jahre 2018 überarbeitete Schiedsordnung, die in vier Sprachen vorliegt (deutsch, englisch, spanisch und portugiesisch; eine französische Sprachfassung ist in Vorbereitung). Sie ist an der UNCITRAL-Musterschiedsordnung orientiert und maßgeschneidert auf Wirtschaftsstreitigkeiten zwischen europäischen und lateinamerikanischen Parteien. Die ELArb-Schiedsordnung enthält zahlreiche innovative Regelungen: Dazu zählt u.a. eine Arb-Med-Arb-Regelung, welche die Vorteile verschiedener Konfliktlösungsmethoden (Mediation und Schiedsverfahren) sinnvoll kombiniert.

Einen ähnlichen Ansatz verfolgt die CEAC mit ihrer auf die Lösung von Streitigkeiten im europäisch-chinesischen Wirtschaftsverkehr maßgeschneiderten CEAC-Schiedsordnung, die auf Deutsch, Englisch und Chinesisch vorliegt. Das CEAC verfügt über eine sehr international besetzte Liste qualifizierter Schiedsrichter.

Förderung 

Die Schiedsgerichtsbarkeit wird von zahlreichen in Hamburg ansässigen Institutionen unterstützt und gefördert. So haben sich eine Vielzahl örtlicher Schiedsrechtler im HAC – Hamburg Arbitration Circle e.V. zusammengeschlossen mit regelmäßigen Veranstaltungen zu aktuellen Themen der Schiedsgerichtsbarkeit. Akademische Unterstützung leistet das bei der Bucerius Law School ansässige CIDR – Center for International Dispute Resolution, das seit 2015 jährlich den „Hamburg International Arbitration Day“ ausrichtet, der in diesem Jahr am 23. März 2021 – aus den bekannten Gründen leider nur virtuell – stattgefunden hat. Zu erwähnen ist ferner der Rechtsstandort Hamburg e.V., der auf seiner Website umfassend über alle in Hamburg zur Verfügung stehenden Streitbeilegungsmechanismen informiert.

Kommen Sie also gerne einmal nach Hamburg, sei es für ein Schiedsverfahren, sei es aus sonstigen Gründen. Es lohnt sich!

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