6. Mai 2021
Zum Zwecke der Förderungen von Betriebsratswahlen hat das Bundeskabinett am 31. März 2021 überraschend den Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Betriebsratswahlen und der Betriebsratsarbeit in einer digitalen Arbeitswelt („Betriebsrätemodernisierungsgesetz“) beschlossen. Die geplanten Änderungen sollen nicht nur die betrieblichen Mitbestimmungsrechte stärken und für mehr Rechtssicherheit sorgen, sondern auch der Digitalisierung Rechnung tragen. Alles durchaus honorige Ziele – deren Praxistauglichkeit allerdings eher kritisch zu bewerten ist.
Als positive Neuerungen sollten die Nutzungsmöglichkeit der qualifizierten elektronischen Signatur sowie die Klarstellung der Verantwortlichkeit im datenschutzrechtlichen Bereich wenigstens kurz Erwähnung finden. Beide Änderungen dürften dazu geeignet sein, die Rechtssicherheit zu fördern und damit ansatzweise eine Modernisierung des BetrVG darstellen. Der Mehrwert einiger anderer Neuregelungen ist dagegen eher praxisfern.
Das dürfte insbesondere für die geplante Änderung zu den erleichterten Gründungsvoraussetzungen des Betriebsrats und dem vorverlagerten Kündigungsschutz gelten. Vor dem Hintergrund dessen, dass die Behinderung und Vereitelung von Betriebsratswahlen bereits zum jetzigen Zeitpunkt eine Straftat sein kann (vgl. § 119 I Nr. 1 BetrVG), stellt man sich zurecht die Frage, ob die geplanten Neuerungen nicht bloß einem blinden Aktionismus des Gesetzgebers geschuldet sind. Arbeitgeber*innen, die der Belegschaft in Sachen Betriebsratsgründung und -wahl Steine in den Weg legen wollen, lassen sich sicher nicht durch neue Vorschriften künftig davon abschrecken. Ähnlich kritisch zu bewerten ist auch die geplante Änderung des Kündigungsschutzgesetzes. Hier besteht die Gefahr, dass für die Arbeitnehmer*innen falsche Anreize geschaffen werden und sie sich ausschließlich mit Blick auf den besonderen Kündigungsschutz zur Betriebsratswahl aufstellen lassen.
Die klarstellenden Regelungen rund um das Thema künstliche Intelligenz sind zwar dem Grunde nach zu begrüßen, allerdings darf hier nicht außer Acht gelassen werden, dass durch den erforderlichen Einsatz von Sachverständigen die Gefahr horrender Mehrkosten für Arbeitgeber*innen besteht. Ausweislich der Gesetzesbegründung wird durchschnittlich von Sachverständigenkosten in Höhe von 833 Euro pro Einsatztag (inkl. MwSt.) ausgegangen – ob dies letztendlich aber der Realität entspricht bleibt abzuwarten. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass Künstliche Intelligenz immer mehr zum Einsatz kommt und die erforderliche Hinzuziehung eines Sachverständigen künftig wohl ausufernd viele Angelegenheiten betreffen wird. Damit einher geht zudem das Risiko der Entwicklung einer „blinden Vertrauenskultur“ ohne die Fortentwicklung eigener innerbetrieblicher Sachkunde der Arbeitnehmer*innen.
Auch das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats hinsichtlich der Ausgestaltung mobiler Arbeit stellt wohl eher eine Überregulierung als eine wirklich praktikable Modernisierung dar. Bereits jetzt gibt es zahlreiche Mitbestimmungsrechte, die das Thema des mobilen Arbeitens berühren; wie etwa § 87 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 6 oder Nr. 7 BetrVG. Dementsprechend stellt sich auch hier die Frage nach dem Mehrwert der Neuregelung, da diese letztlich nur eine Zusammenfassung bereits bestehender Mitbestimmungsrechte ist.
Im Übrigen wirken auch die beabsichtigten Neuregelungen zur Aufrechterhaltung der Digitalisierung von Betriebsratssitzungen eher schlecht als Recht. Die Frage, wer die technische Ausstattung zur Verfügung stellen muss, dürfte zwar mit Blick auf § 40 Abs. 2 BetrVG und die aktuelle Rechtsprechung (vgl. LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 14.04.2021 – 15 TaBVGa 401/21) grundsätzlich geklärt sein, wird künftig aber – insbesondere mit Blick auf eine finanzielle Mehrbelastung von Arbeitgebern*innen – sicherlich nicht konfliktfrei ablaufen. Hinzukommt die Ungewissheit, wie und mit welchen Mitteln die nach § 30 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG-E erforderliche Gewährleistung von Vertraulichkeit praktikabel umgesetzt werden soll. Eine Nachbesserung der Regelung wäre wünschenswert und dürfte die Praxistauglichkeit durchaus erhöhen.
Aus Arbeitgebersicht dürfte sich die Euphorie hinsichtlich des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes wohl eher in Grenzen halten. Die teils überflüssigen und zu weitgehenden Regelungen bergen nicht nur Missbrauchspotential, sondern auch eine erhebliche finanzielle Mehrbelastung der Arbeitgeber*innen. Der Zeitpunkt dieser „Modernisierung“ dürfte in Zeiten der noch anhaltenden Pandemie – wo viele Arbeitgeber*innen sowieso schon am wirtschaftlichen Limit sind – wohl eher ungeschickt gewählt worden sein.
Auch auf Seiten der Betriebsräte dürfte der ganz große Jubel wohl ausbleiben, denn eine umfangreiche und effektive Stärkung stellen die beabsichtigten Neuregelungen nicht dar – allenfalls eine kleine „Starthilfe“ in Richtung Modernisierung.
Arbeitgeber sollten frühzeitig Maßnahmen ergriffen, wenn es durch die Nutzung von ChatGPT zu arbeitsvertraglichen Pflichtverletzungen kommt.
von Christina Poth, LL.M. (Edinburgh) und Dr. Benedikt Kohn, CIPP/E