4. Februar 2021

BaFin fordert künftig höhere Eigenmittel bei InsurTechs

  • Briefing

Angesichts der Corona-Pandemie und offenbar aus Angst vor finanziellen Engpässen hat die BaFin die Anforderungen zur Erlangung der Versicherungserlaubnis für technologiegetriebene Versicherungsunternehmen, sogenannte InsurTechs, erschwert. Das Versicherungskollektiv sei bei jungen Digitalversicherern noch überschaubar. Das führe zu geringeren Prämieneinnahmen bei gleichzeitig hohen Investitionskosten vor allem im IT-Bereich, so die BaFin.

Hintergründe

Die bisher am deutschen Markt aktiven InsurTechs übernehmen aktuell insbesondere die Rolle von Versicherungsvermittlern und fallen somit in den Geltungsbereich von § 34d GewO. Unter die Versicherungsaufsicht fallen InsurTechs nur, wenn sie das Versicherungsgeschäft selbst betreiben (wollen). Dazu bedürfen Unternehmen mit Sitz in Deutschland der Erlaubnis der deutschen Aufsichtsbehörde BaFin (vgl. §§ 8 bis 11 sowie §§ 23 bis 33 VAG). Die BaFin hat seit 2017 sechs InsurTechs zugelassen, die die gleichen Rechtsanforderungen zu erfüllen haben, wie andere beaufsichtigte, traditionelle Versicherungsunternehmen.

Härtere Regeln bei Versicherungserlaubnis

InsurTechs starten ihre Existenz in der Verlustzone und haben dann häufig Schwierigkeiten, diese zu verlassen, schreibt die BaFin in ihrem Journal von Januar 2021 (S. 26 ff.). Regelmäßig sind die Geschäftsprognosen zu optimistisch und die Unternehmen auf Nachfinanzierungen angewiesen. Daran stört sich die Finanzaufsicht und beabsichtigt – zum Schutz der Versicherten –, bestehende Unternehmen in der Aufbauphase sowie künftige Neugründungen – die sogenannten Neocarrier – einer noch genaueren Prüfung zu unterziehen:

In der Aufsichtspraxis der BaFin habe sich gezeigt, dass die Risiken von InsurTechs in der Aufbauphase bisher nicht ausreichend berücksichtigt werden. Die BaFin fordert daher, dass Unternehmen in der Aufbauphase ihre Risiken künftig angemessener als bisher reflektieren. Vor allem sollen künftige Neugründungen bei ihrem Start über deutlich mehr Eigenmittel verfügen, als dies bisher der Fall war. Sie müssen schon am Tag ihres Zulassungsantrags vollständig ausfinanziert sein und auch negative Entwicklungen in ihre Prognosen sehr realistisch einkalkulieren. Bei ihrer Zulassung müssen Versicherungsunternehmen einen Organisationsfonds („Orgafonds“) stellen. Da sich mit der Digitalisierung die Rahmenbedingungen bei der Neuzulassung und in der Aufbauphase von Versicherungsunternehmen geändert haben, ist es aus Sicht der BaFin erforderlich, den Orgafonds zu stärken. Denn gerade bei jungen Digitalversicherern sei es oftmals für den erfolgreichen und nachhaltigen Aufbau des Geschäftsmodells entscheidend, dass die IT-Aufbaukosten auf lange Sicht ausreichend finanziert sind. Bereits in der bisherigen Praxis war festzustellen, dass die BaFin im Erlaubnisverfahren von den Neocarriern nicht nur eine Schätzung der Plan-Bilanz und Plan-GuV für die ersten drei Geschäftsjahre gemäß § 9 Abs. 3 VAG verlangte, sondern sogar für die ersten vier bis fünf Geschäftsjahre.

 

Fazit

Mit der Forderung nach höheren Eigenmitteln entspricht die BaFin zugleich den Intentionen der europäischen Versicherungsaufsichtsbehörde EIOPA, die für eine eher strengere Aufsicht steht. In Anbetracht der potenziell hohen Verluste in der Aufbauphase von Neocarriern im Vergleich zu traditionellen Versicherungsunternehmen ist dies aus aufsichtsrechtlicher Sicht sinnvoll (Verbraucherschutz!). Doch was heißt das für den InsurTech-Standort Deutschland? Für die InsurTechs stellen die verschärften Anforderungen der BaFin erhebliche Hürden dar: Nicht jeder Business Plan ist im gewünschten Maße aufgegangen. Nachträgliche, sukzessive Finanzierungsrunden sind insbesondere in der Start up-Branche nicht ungewöhnlich. Daher wird von Kritikern bemängelt, dass die Besonderheiten der digitalen Neugründung nicht mehr hinreichend von der BaFin berücksichtigt werden. Aber nicht nur der Digitalverband Bitkom kritisiert die Pläne der Finanzaufsicht, auch der Hauptgeschäftsführer des Branchenverbands GDV, Jörg Asmussen, warnt: “Mit den geplanten Sonderregeln verscheuchen wir Innovationen aus Deutschland”. Für alle Versicherungsunternehmen müssten die gleichen Maßstäbe gelten. Auch für bereits zugelassene, aber noch in der Aufbauphase befindliche Versicherungs-Start-ups würden die BaFin-Pläne eine Verschärfung bedeuten; es würden gerade für InsurTechs, die teilweise bereits viel investiert haben, mitten im Spiel die Regeln geändert.

Es bleibt abzuwarten, wie die BaFin in der Praxis konkret vorgehen wird. Aufgrund der Wirecard-Affäre steht die BaFin allerdings derzeit unter einem besonderen öffentlichen Druck. Erst zum Ende Januar 2021 rollten Köpfe an der obersten Spitze und in der Leitung der Wertpapieraufsicht. Die Insolvenz eines InsurTechs will die Versicherungsaufsicht innerhalb der BaFin vor diesem Hintergrund offenbar nicht riskieren. Die konkrete Folge: Ein InsurTech mit eigener BaFin-Erlaubnis zu gründen, wird zukünftig wohl deutlich mehr Kapital erfordern als bisher, was aus Investorensicht eine Hemmschwelle hinsichtlich potenzieller Investitionen in deutsche Neocarriers bedeuten kann.

 
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