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Daniel Mursa, LL.M. (Köln/Paris I)

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8. Dezember 2020

M&A nach Corona – Was bleibt wichtig?

  • In-depth analysis

Corona wird auch in Zukunft die M&A-Praxis maßgeblich beeinflussen. Auch wenn sich der Markt nach dem Einbruch im ersten Halbjahr (Dealvolumen global minus 50% zum Vorjahr, in Deutschland minus 15 %) langsam wieder erholt, werden die Erfahrungen der Krise fortwirken und Verhandlungen in der Nach-Corona-Zeit insbesondere von einer interessengerechten Risikoverteilung im Hinblick auf zukünftige Krisen geprägt sein. Die Regelungsinstrumente um dies im Unternehmenskaufvertrag zu antizipieren sollen im Folgenden kurz dargestellt werden. 

Neben möglicher Erweiterungen des Kaufpreismodells kommen insbesondere MAC-Klauseln, als Rücktrittsmöglichkeit im Falle der Verschlechterung wesentlicher wirtschaftlicher Annahmen zwischen Unterzeichnung (Signing) und Vollzug (Closing) des Unternehmenskaufvertrages, eine wesentliche Bedeutung zu. Zusätzlich zu einem umfassenderen Garantiekatalog und weitreichenderen Freistellungen sollte der Käufer zudem auf engere Verhaltenspflichten des Verkäufers (Covenants) zwischen Signing und Closing dringen. Zudem stellen die Warrenty & Indemnity („W&I“)-Versicherung bei unbekannten Risiken oder die Contingent Risk-Versicherung bei identifizierten, aber ungewissen Risiken, ein weiteres wertvolles Instrument bei der Absicherung der Parteien vor erheblichen finanziellen Nachteilen dar.

Kaufpreisklausel

Kernstück jedes Unternehmenskaufvertrages ist die Kaufpreisklausel und ihre Ausgestaltung. Dabei dominierte bis Anfang 2020, in einem verkäuferfreundlichen Markt, das Locked-Box-Modell. Hierbei vereinbaren die Parteien einen Festkaufpreis, der sich auf einen festgelegten wirtschaftlichen Übertragungsstichtag bezieht, und bestimmen einen Katalog von erlaubten bzw. nicht erlaubten Liquiditätsabflüssen bis zum Closing. Aus Verkäufersicht ist dieses Modell zu bevorzugen, da schon bei Abschluss des Unternehmenskaufvertrages Sicherheit über die Höhe des Kaufpreises besteht, der Käufer trägt anschließend das wirtschaftliche Risiko. Käufern in einem unsicher(er)en Marktumfeld ist zu raten, zukünftig vermehrt die Umsetzung eines Closing-Account-Mechanismus zu fordern. Dabei wird der Kaufpreis anhand der zwischen den Parteien vereinbarten Parameter auf den rechtlichen Übertragungsstichtag, das Closing, exakt berechnet und berücksichtig daher ggfs. zwischen Signing und Closing eingetretene Wertminderungen des Zielunternehmens. 

Auch Kaufpreisanpassungsmechanismen und sonstige Harmonisierungsinstrumente für den Fall auseinanderklaffender Kaufpreisvorstellungen, dürften eine wesentliche Rolle in der Nach-Corona-Zeit spielen. In Frage kommen insbesondere Earn-Out, Vendor Loan und Rückbeteiligung (Roll-Over).

Earn-Out

  • Variabler Kaufpreisbestandteil, der zu einer nachträglichen Kaufpreisanpassung bei Eintritt vertraglich vereinbarter Trigger-Events führt. 
  • Der Verkäufer signalisiert durch die Kopplung des Kaufpreises an die zukünftige Performance des Zielunternehmens, dass er an seinen Business Plan glaubt. Nachteil: Er trägt nach Closing weiterhin unternehmerisches Risiko und hat dann (i.d.R.) keinen Einfluss mehr auf das Unternehmen. Dem Käufer wird der variable Kaufpreisbestandteil zunächst gestundet (Stundungseffekt) und eine Auszahlung erfolgt nur bei guter Performance, ggfs. aus dem Cash-Flow der Zielgesellschaft (Finanzierungsfunktion). Nachteil: Die Klausel hemmt ggfs. die effektive Integration des erworbenen Unternehmens.

Da die Regelung sehr streitanfällig ist, nimmt sie in Kaufvertragsverhandlungen regelmäßig einen prominenten Platz ein und erfordert präzise Formulierungen, insbesondere der Trigger-Events.

Vendor Loan

  • Der Verkäufer gewährt einen Teil des Kaufpreises als i.d.R. ungesichertes, nachrangiges Verkäuferdarlehen. Alternative / Ergänzung zur Fremdfinanzierung.
  • Der Verkäufer trägt das Insolvenzrisiko des Käufers. Andererseits wird der stehengelassene Kaufpreis in jedem Fall fällig (anders als bei Earn-Out) und der Verkäufer kann ggfs. eine attraktive Verzinsung durchsetzen. Der Käufer mindert den Finanzierungsbedarf der Transaktion (Finanzierungsfunktion) und steigert seine internal rate of return. Zudem kann der Vendor Loan auch als Sicherheit für Garantie- oder Freistellungsansprüche dienen. 

Zu klären ist im Rahmen der Verhandlungen insbesondere, wie sich der Vendor Loan zu bestehenden und künftigen weiteren Fremdfinanzierungen verhält. Der Verkäufer wird seine Position unterhalb der Fremdfinanzierung abgesichert sehen wollen.

Rückbeteiligung, Roll-Over

  • Der Verkäufer beteiligt sich am Erwerbervehikel (durch Einlegung der Kaufpreisforderung oder Einbringung von Anteilen) und bleibt dem Unternehmen auch nach der Transaktion erhalten.
  • Der Verkäufer profitiert vom Leverage Effekt der Transaktionsfinanzierung, die ihm eine höhere indirekte Beteiligung ermöglicht. Allerdings kann die Einbringung der Beteiligung für ihn steuerlich nachteilig sein und Haltefristen auslösen. Zudem erhält er sein Investment erst mit Exit des Erwerbervehikels zurück (anders als bei Earn-Out und Vendor Loan). Für den Käufer reduziert die Rückbeteiligung den Finanzierungsaufwand für die Übernahme und verteilt das unternehmerische Risiko zwischen den Parteien. 

Im Vergleich ist der Earn-Out für den Verkäufer riskanter, da der Käufer nach Closing im Driver Seat sitzt und die wirtschaftliche Entwicklung des Zielunternehmens maßgeblich (und damit zulasten des Verkäufers) beeinflussen kann. Verkäuferdarlehen und Rückbeteiligung sind für ihn weniger riskant und lassen ihn an der Renditeerwartung des Käufers wirtschaftlich teilhaben.

MAC-Klausel

Rücktrittsvarianten werden in den Fokus geraten, um auf nach Signing eingetretene Krisen und daraus folgende Verschlechterungen des Zielunternehmens reagieren zu können, insbesondere die sog. MAC-Klausel (material adverse change). Diese, vor allem aus US-amerikanischen Unternehmenstransaktionen bekannte Regelung, gewährt dem Käufer das Recht nach Signing und vor Closing von der Transaktion Abstand zu nehmen und vom Vertrag zurückzutreten. Voraussetzung ist der Eintritt eines sog. MAC-Ereignisses, sich in der Regel also wesentliche wirtschaftliche Annahmen ändern. Dabei können sowohl im Unternehmen liegende negative Veränderungen als auch externe Ereignisse als MAC-Ereignis vereinbart werden. In deutschen Unternehmenstransaktionen sind derartige Klauseln bisher die Ausnahme. Nach den Erfahrungen der Corona-Krise sollten Käufer allerdings vermehrt Wert auf sie legen. Neben der eingangserwähnten Möglichkeit zum Rücktritt vom Vertrag für den Käufer, bietet die Klausel im Falle ihrer Anwendung jedenfalls auch die Option, eine Lösung vom Vertrag nur anzudrohen und Nachverhandlungen zu erzwingen. Verkäufer wiederum müssen darauf achten, dass die Klausel, sollte sie sich in den Verhandlungen nicht ausschließen lassen, zumindest ausgewogen formuliert wird. Die beiden wesentlichen Elemente einer MAC-Klausel sind dabei das MAC-Ereignis und die Wesentlichkeitsschwelle. 

MAC-Ereignis

Das MAC-Ereignis kann entweder abstrakt formuliert sein, um einen möglichst weiten Kreis von Umständen zu erfassen, oder konkret, ggfs. unter Nennung einzelner Beispiele. Gleichzeitig kann sich die Klausel auf Ereignisse, die direkt den Geschäftsbetrieb des Zielunternehmens betreffen und eine wesentliche wirtschaftliche Auswirkung auf das Zielgeschäft haben, beschränken oder auch solche umfassen, die außerhalb des Unternehmens, im geschäftliche Umfeld liegen und sich ggfs. auch auf allgemeine Entwicklungen beziehen. Aus Käufersicht ist im Hinblick auf zukünftige Krisen darauf zu achten, dass die MAC-Klausel neben unternehmensinternen auch externe Ereignisse umfasst und, im Falle beispielhafter Aufzählungen solcher Ereignisse, nicht zu eng formuliert ist. Pandemien, wie die Corona-Krise, dürften vom Wortlaut bisher in deutschen Unternehmenskaufverträgen verwendeter MAC-Klauseln in der überwiegenden Anzahl der Fälle wohl nicht umfasst sein. Gegebenenfalls findet sich in der Auflistung der Verweis auf Naturkatastrophen, hierunter fällt eine Pandemie allerdings nicht. Ein entsprechend verbleibender Auslegungsspielraum bei Auflistung bestimmter Beispiele in der MAC-Klausel könnte daher in Einzelfällen die Anwendung der Klausel zu Lasten des Käufers ausschließen. Aus Verkäufersicht ist darauf zu achten, dass sich die Klausel möglichst nur auf Ereignisse bezieht, die in der Sphäre des Unternehmens liegen und bis zum Closing auch tatsächlich eingetreten sind. Je enger und konkreter die Klausel gefasst ist, desto besser für den Verkäufer.

Wesentlichkeitsschwelle

Weiteres Element einer MAC-Klausel ist die Wesentlichkeitsschwelle. Sie definiert, ab welchem Ausmaß der Beeinträchtigung die Klausel Anwendung findet. Dabei steht die Verhandlung und Definition eines sinnvollen Bezugspunkts für die Beeinträchtigung im Mittelpunkt. Abstellen lässt sich zum Beispiel auf negative Auswirkungen auf das EBITDA der Zielgesellschaft ab einer bestimmten Höhe. Denkbar ist es aus Käufersicht aber auch, andere, außerhalb der Zielgesellschaft liegende Bezugspunkte zu vereinbaren und etwa negative Veränderungen in der Branche miteinzubeziehen. Zudem könnten in zeitlicher Hinsicht von der Wesentlichkeitsschwelle auch Schäden umfasst werden, die – bereits absehbar – erst nach Vollzug der Transaktion eintreten. Aus Verkäufersicht sollte versucht werden, finanzielle Schwellenwert möglichst hoch anzusetzen und ggfs. auch in zeitlicher Hinsicht einschränkende Erfordernisse einzuführen, etwa die Dauer der Unterbrechung von Lieferketten. Zudem sollten wiederum ausschließlich Bezugspunkte innerhalb des Unternehmens akzeptiert werden und lediglich Schäden berücksichtigt werden, die vor Closing auch tatsächlich eingetreten sind. Je nach Verhandlungsposition, sollte der Verkäufer zudem versuchen, für den Fall der Ausübung der MAC-Klausel durch den Käufer, eine Vertragsstrafe in den Vertrag einzuführen.

Covenants

Neben einer umfassenden Überprüfung der bestehenden Krisenresistenz im Rahmen der Due Diligence und der Einführung entsprechender Garantien und Freistellungen im Unternehmenskaufvertrag, sind auch Verpflichtungen des Verkäufers zwischen Signing und Closing (Covenants) ein Mittel, um die Zielgesellschaft im Falle einer Krise vor Closing zu überwachen und ihr bzw. dem Verkäufer bestimmte Verhaltenspflichten aufzuerlegen. Zudem kann hierdurch auch die Umsetzung bestimmter Maßnahmen zur Krisenbewältigung, die im Rahmen der Due Diligence als defizitär identifiziert wurden, bis zum Closing erreicht werden. Grenzen finden derlei Verpflichtungen allerdings, sofern die Transaktion der Fusionskontrolle unterliegt und, aufgrund der Einflussmöglichkeit des Käufers über diese Verhaltenspflichten, der Vollzug der Transaktion faktisch vorweggenommen wird.

W&I-Versicherung

Seit einigen Jahren hat sich am deutschen Markt die W&I-Versicherung als überaus hilfreiches Versicherungsprodukt zur präventiven Absicherung von Transaktionsrisiken etabliert, welches Gewährleistungen und Freistellungserklärungen des Verkäufers abdeckt. In den überwiegenden Fällen sind es die Käufer, die sich mit einer solchen W&I-Versicherung gegen eigene Vermögensschäden wegen Garantieverletzungen des Verkäufers absichern. Nur vereinzelt wird die Versicherung vom Verkäufer selbst im Sinne einer speziellen Haftpflichtversicherung abgeschlossen. Gerade in Krisenzeiten ist jedoch insbesondere auch dem Verkäufer anzuraten, sich mit den Vorteilen der W&I-Versicherung frühzeitig auseinanderzusetzen und deren Abschluss ggf. mit dem Käufer zu vereinbaren, denn solch eine Lösung kann zu einer echten Win-win-Situation für alle Parteien führen: Der Verkäufer hat gerade in Krisenzeiten ein starkes Interesse daran, sein Haftungsrisiko zu begrenzen, und zwar ohne, dass der Käufer wegen mangelnder vertraglicher Haftung eine Reduzierung des Kaufpreises durchsetzt. Die Vorteile des Transaktionsproduktes überwiegen jedoch auch auf Käuferseite: Trotz der umfassenden Haftungsbegrenzung des Verkäufers (Clean Exit) erhält der Käufer durch die W&I-Versicherung umfassende Gewährleistungen im Hinblick auf das erworbene Target. Vor allem bei dem Verkauf eines Targets aus der Insolvenz heraus eröffnet die W&I-Versicherung in besonderer Ausgestaltung die Möglichkeit, zum Beispiel Garantien synthetisch – d.h. ohne konkreten Bezug zum Unternehmenskaufvertrag – abzugeben und zu versichern, die der Insolvenzverwalter dem Grunde nach nicht geben kann. Damit die W&I-Versicherung ihren vollen Mehrwert realisieren kann, sind jedoch eine Reihe an rechtlichen Besonderheiten zu berücksichtigen: Die W&I-Versicherung deckt nur unbekannte Risiken der Transaktion; insoweit ist es für den Versicherer entscheidend, dass ein umfassender Offenlegungsprozess stattfindet (Disclosure) und sich der Käufer im Rahmen der Due Diligence intensiv mit den Risiken auseinandergesetzt hat: Die Due Dilligence sollte bei der jeweiligen Transaktion mindestens in der Intensität und in dem Umfang durchgeführt werden, wie diese im Rahmen einer Transaktion ohne W&I-Versicherung stattgefunden hätte. Auch ist es ratsam sich frühzeitig mithilfe eines Brokers an die entsprechenden Versicherer zu wenden bzw. diese hinsichtlich des aktuellen Verhandlungsstands auf dem Laufenden zu halten, denn das im Unternehmenskaufvertrag abgebildete Haftungsregime muss aus Sicht des Käufers nicht nur mit dem Verkäufer, sondern bei dem traditionellen W&I-Produkt auch mit dem W&I-Versicherer verhandelt werden. Schwerpunktmäßig gilt es in diesem Stadium, Haftungs-/ bzw. Deckungslücken zu vermeiden.

Contingent Risk-Versicherung

An Grenzen stößt die W&I-Versicherung bei spezifischen Risiken, die im Rahmen der Due Diligence identifiziert (also bekannt) wurden, typischerweise etwa in den Bereichen Steuern, Umwelt oder im Fall eines drohenden bzw. bereits anhängigen vermögensträchtigen Rechtsstreits. Typischerweise stellen solche identifizierten Risiken, die teilweise zwar eine geringe Realisierungswahrscheinlichkeit, allerdings im Ergebnis ein hohes Schadenspotenzial mit sich bringen, einen möglichen „Dealbreaker“ dar. Eine potenzielle Lösung bietet die am deutschen Markt noch eher unbekannte Contingent Risk-Versicherung, die zusätzlich zu der W&I-Versicherung oder als „Standalone“-Produkt ein identifiziertes Risiko absichert. Damit das identifizierte Risiko jedoch von einem Versicherer übernommen werden kann, benötigen die Versicherer im Vorfeld eine detaillierte Aufbereitung samt belastbarer Quantifizierung des zu versichernden Risikos. Dies geschieht regelmäßig über ein fachspezifisches Rechtsgutachten, welches im Rahmen von Underwriter Calls mit dem Broker und dem Versicherer zu diskutieren ist.

 
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