24. Juli 2020
Am 12. Juli 2020 ist die Verordnung zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten (VO EU 2019/1150 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019) in Kraft getreten. Sie stellt neue Anforderungen an Betreiber von Plattformen und Suchmaschinen. Nicht nur müssen AGB angepasst und die Kriterien für Rankings offengelegt werden, sondern die Verordnung verlangt auch neue Strukturen, etwa die Implementierung eines internen Beschwerdemanagements sowie die Benennung von Mediatoren. Unternehmen, die die neue Verordnung noch nicht umgesetzt haben, sollten spätestens jetzt handeln, denn bei Verstößen drohen Abmahnungen sowie Schadensersatzklagen von Wettbewerbern als auch Verbänden.
Die Verordnung gilt für jeden Anbieter eines Online-Vermittlungsdienstes oder einer Online-Suchmaschine. Beide Plattformarten sind in der Verordnung legaldefiniert.
Merkmale eines Online-Vermittlungsdienstes sind demnach wie folgt:
Beispiele für Online-Vermittlungsdienste nach dieser Definition sind etwa Handelsplattformen oder Hotel- oder Flugbuchungsportale.
Die Definition der Online-Suchmaschine spiegelt das allgemeine Verständnis wieder und bezeichnet einen „Dienst, der es Nutzern ermöglicht, in Form eines Stichworts, einer Spracheingabe, einer Wortgruppe oder einer anderen Eingabe Anfragen einzugeben, um prinzipiell auf allen Websites oder auf allen Websites in einer bestimmten Sprache eine Suche zu einem beliebigen Thema vorzunehmen und Ergebnisse in einem beliebigen Format angezeigt zu bekommen, über die sie Informationen im Zusammenhang mit dem angeforderten Inhalt finden können“.
Anbieter ist jede Person, die einen der oben beschriebenen Dienste anbietet, unabhängig von ihrem Sitz und dem sonstigen anwendbaren Recht (vgl. Art. 1 Abs. 2 der VO). Das bedeutet, dass grundsätzlich auch Anbieter mit Sitz außerhalb der EU Adressaten der Verpflichtungen sein können.
Für die Anwendbarkeit der Verordnung müssen darüber hinaus kumulativ die folgenden Kriterien erfüllt sein:
Im Umkehrschluss fallen Plattformen, die lediglich private Nutzung ermöglichen oder deren Nutzer nicht in der EU ansässig sind oder die keine Waren/Dienstleistungen gegenüber Verbrauchern in der EU anbieten, nicht unter die Verordnung. Zu beachten ist jedoch, dass der Anwendungsbereich nicht voraussetzt, dass die jeweilige Plattform exklusiv gewerblichen Nutzern bereitgestellt wird.
Die Regelungen der Verordnung betreffen insbesondere die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten, die vielfach einer erheblichen Anpassung bedürfen werden. Daneben entstehen weitere Verpflichtungen für die Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten. Der Umfang, in dem diese Anforderungen auch auf Anbieter von Online-Suchmaschinen Anwendung finden sollen, ist unklar.
Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten
Anforderungen an die Allgemeinen Geschäftsbedingungen
Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Anbietern von Online-Vermittlungsdiensten müssen nach der Verordnung neben den allgemeinen Anforderungen
Die Verordnung sieht ferner spezielle Vorschriften für die Änderungen der AGB vor:
Insofern kann es sinnvoll sein, die internen Prozesse für die Änderung der AGB zu überarbeiten.
Die Missachtung dieser Vorgaben für die Allgemeinen Geschäftsbedingungen kann zur Nichtigkeit der jeweiligen Klauseln führen bzw. im Einzelfall zur Nichtigkeit der gesamten AGB, sofern diese nicht getrennt von den Einzelnen Klauseln betrachtet werden können.
Einschränkung, Aussetzung und Beendigung der Nutzung des Dienstes
Die Einschränkung oder Aussetzung des Online-Vermittlungsdienstes gegenüber einem Nutzer bedarf der Begründung. Diese Begründung muss dem Nutzer vor oder zeitgleich mit dem Wirksamwerden der Maßnahmen mitgeteilt werden. Im Fall einer vollständigen Beendigung des Dienstes gegenüber einem Nutzer ist die Begründung in der Regel 30 Tage vor Wirksamwerden der Beendigung mitzuteilen. Dem Nutzer steht in allen Fällen das Beschwerdeverfahren offen.
Internes Beschwerdemanagement
Anbieter eines Online-Vermittlungsdienstes müssen ein internes System für die Bearbeitung von Beschwerden gewerblicher Nutzer einrichten, das die Bearbeitung von Beschwerden innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens ermöglicht. Die Nutzung des Beschwerdemanagementsystems muss für den Nutzer leicht zugänglich und kostenlos sein. Ferner muss der Anbieter die Wirksamkeit des Beschwerdemanagementsystems auswerten und entsprechende Ergebnisse, einschließlich Anzahl der eingereichten Beschwerden, der wichtigsten Arten von Beschwerden, des durchschnittlichen Zeitbedarfs für die Bearbeitung der Beschwerden und aggregierter Informationen über das Ergebnis der Beschwerden, öffentlich verfügbar machen.
Mediation
Neben der Einrichtung eines Beschwerdemanagementsystems sind Anbieter eines Online-Vermittlungsdienstes verpflichtet, sich nach Treu und Glauben an allen Mediationsversuchen von Nutzern zu beteiligen. Zu diesem Zwecke muss jeder Anbieter mindestens zwei Mediatoren benennen, mit denen er bereit wäre, im Streitfalle eine außergerichtliche Streitbeilegung zu erarbeiten. Grundsätzlich müssen die benannten Mediatoren solche sein, die ihre Dienste innerhalb der EU verbringen. Die Verordnung enthält konkrete Vorgaben für die Qualifizierung der Mediatoren. In Betracht kommen danach wohl auch die Mediationsstellen der Handelskammern.
Weitere Verpflichtungen
Bei den folgenden Verpflichtungen werden neben Anbietern von Online-Vermittlungsdiensten auch Anbieter von Online-Suchmaschinen als Verpflichtete genannt. Die Regelungen sind insofern jedoch nicht gleichlaufend, sodass der Umfang der Verpflichtungen für Online-Suchmaschinen – insbesondere auch unter Berücksichtigung der Vorschriften, die exklusiv für Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten gelten – unklar bleibt.
Rankings
Die Anbieter entsprechender Plattformen müssen die bestimmenden Hauptparameter von Rankings darstellen. Ranking meint nach der Verordnung die relative Hervorhebung von Waren und Dienstleistungen, die über Online-Vermittlungsdienste angeboten werden, oder die Relevanz, die Suchergebnissen von Online-Suchmaschinen zugemessen wird, wie sie von Anbietern von Online-Vermittlungsdiensten bzw. von Anbietern von Online-Suchmaschinen organisiert, dargestellt und kommuniziert werden. Dabei sind die für die Darstellung, Organisation oder Kommunikation verwendeten technischen Mittel irrelevant. Erfasst sind daher Rankings unter Verwendung von algorithmischer Sequenzierung, Beurteilungs- oder Bewertungsmechanismen oder visueller oder anderen Hervorhebungsinstrumenten oder einer Kombination davon (vgl. EG 24).
Die Verordnung enthält insofern konkrete Vorgaben an den Inhalt und die Gestaltung dieser Erläuterungen. Insbesondere müssen die Anbieter darstellen, ob und auf welche Weise Nutzer das Ranking durch die Zahlung direkter oder indirekter Entgelte beeinflussen können. Ausgenommen ist jedoch die Bereitstellung von verwendeten Algorithmen oder anderen Informationen, denen Offenlegung die Gefahr von Manipulation begründet. Die Kommission wird insofern Leitlinien für die Umsetzung der festgelegten Transparenzanforderungen erlassen.
Differenzierte Behandlung
Die Anbieter müssen Informationen bereitstellen, in denen sie die Modalitäten einer differenzierten Behandlung von eigenen Angeboten (bzw. Angeboten von ihnen beherrschten Unternehmen) und solchen Angeboten der Nutzer erläutern.
Nach den Erwägungsgründen sollen insbesondere die gewerblichen Nutzer von entsprechenden Plattformen vor möglichem unlauteren Verhalten der Anbieter geschützt werden. Das damit angestrebte „wettbewerbsfähige, faire und transparente Online-Ökosystem“ dient darüber hinaus dem Verbraucherwohl. Ob daher neben den Nutzern auch die Verbraucher selbst unmittelbare – und gerichtlich durchsetzbare – Ansprüche aus der Verordnung ableiten können, ist noch offen.
Die Verordnung selbst sieht keine Sanktionen im Falle von Verstößen gegen die Vorgaben der Verordnung vor. Vielmehr obliegt es den Mitgliedstaaten, im nationalen Recht verhältnismäßige und abschreckende Maßnahmen zu bestimmen, die bei Verstößen gegen die Verordnung angewendet werden. In Betracht kämen insofern sowohl Bußgelder als auch mögliche Ansprüche auf Schadensersatz.
Expliziert statuiert die Verordnung ein Klagerecht von Organisationen und Verbänden, die ein berechtigtes Interesse an der Vertretung gewerblicher Nutzer oder von Nutzern mit Unternehmenswebsite haben.
Nach Auskunft der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages sieht das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) eine behördliche Durchsetzung in Deutschland nicht vor, vielmehr soll die Durchsetzung durch zivilrechtliche Instrumente, insbesondere solche des UWG, geschehen. Die Regelungen der P2B-Verordnung seien als Marktverhaltensregeln i.S.v. § 3a UWG einzuordnen, sodass die Nichteinhaltung oder ein Verstoß Beseitigungs-, Unterlassungs- und auch Schadensersatzansprüche nach dem UWG auslösen können. Für Plattformbetreiber drohen im Falle der Nichtbeachtung der Vorgaben der Verordnung daher sowohl außergerichtliche Abmahnungen durch Wettbewerber oder Verbände als auch möglicherweise Gerichtsverfahren.
Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten und Online-Suchmaschinen müssen die Parameter von Rankings auf ihren Plattformen in einer für den Nutzer leicht verständlichen und leicht zugänglichen Form bereitstellen. Dies sollte zum Anlass genommen werden, die Parameter zu überprüfen, um eine unlautere Gestaltung zu vermeiden. Sofern eigene Angebote gegenüber solchen von Nutzern differenziert behandelt werden, müssen auch die Kriterien dieser differenzierten Behandlung erläutert werden.
Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten sollten darüber hinaus folgende Maßnahmen berücksichtigen:
von mehreren Autoren
von Dr. Paul Voigt, Lic. en Derecho, CIPP/E und Wiebke Reuter, LL.M. (London)
von Dr. Axel Frhr. von dem Bussche, LL.M. (L.S.E.), CIPP/E und Dr. Paul Voigt, Lic. en Derecho, CIPP/E