16. April 2020
Zwingt Art. 8 der Richtlinie 2004/48/EG (im Folgenden: „Enforcement-RL“) einen Hosting-Dienst, dem Rechteinhaber Auskunft über E-Mail-Adresse, Telefonnummer und IP-Adresse eines Nutzers zu erteilen, der eine Urheberrechtsverletzung über diesen Dienst begangen hat? Generalanwalt Henrik Saugmandsgaard Øe meint in seinen am 2. April 2020 vorgelegten Schlussanträgen: Nein (Europäischer Gerichtshof (EuGH), Rs. C-264/19).
Entscheidend für die vom BGH vorgelegten Fragen nach dem Umfang der (Dritt-)Auskunft ist die Auslegung des Begriffs „Namen und Adressen“ in Art. 8 Abs. 2 Buchst. a) der Enforcement-RL. Bereits nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch, so der Generalanwalt, fielen die verlangten Auskünfte nicht unter diesen Begriff. Dieses Ergebnis werde durch eine historische Auslegung gestützt, denn die Entstehungsgeschichte der Richtlinie gebe keine Anhaltspunkte für ein weiter gehendes Verständnis von „Namen und Adressen“. Auch die Kommission habe erläutert, dass der Richtliniengeber nicht beabsichtigt hatte, mit der Einführung der Norm moderne Formen von „Adressen“ zu erfassen. Zudem stelle die Vorschrift nur eine Mindestharmonisierung dar.
Wollte man den Begriff hingegen „dynamisch“ auslegen, käme dies einer Neuformulierung der Vorschrift gleich; die aber falle in den Kompetenzbereich der Legislative, nicht der Judikative. Darüber hinaus würde damit auch das vom Richtliniengeber mit der Norm geschaffene Gleichgewicht zwischen dem Schutz geistigen Eigentums einerseits und dem Schutz personenbezogener Daten andererseits ins Wanken gebracht.
Das Urteil des EuGH, mit dem in wenigen Monaten zu rechnen ist, wird wegen des breiten Anwendungsbereichs der Enforcement-RL für sämtliche Bereiche des geistigen Eigentums praktische Bedeutung haben.
von Dr. Gregor Schmid, LL.M. (Cambridge) und Dr. Malek Barudi, M.Jur. (Oxford)