21. April 2020

Novelle der Dual Use-Verordnung – Neue EU-Anforderungen an die Export-Compliance

Der Berg kreiste und gebar eine Maus: Vor fast vier Jahren hat die EU-Kommission den Entwurf einer novellierten Dual Use-Verordnung vorgelegt. Verabschiedet ist er bis heute nicht; dies war bislang für 2020 geplant. Was mit hohen Erwartungen und auch Befürchtungen begann, soll nach dem letzten Vorschlag des Rates deutlich entschärft werden. Eines ist aber sicher: Die Compliance-Anforderungen an Unternehmen werden steigen. Hierauf werden sich Unternehmen, die mit Dual Use-Gütern zu tun haben, zukünftig einstellen müssen.

Ein Interview mit Dr. André Lippert:

1) Im Überblick: Was kommt mit der neuen Dual-Use-Verordnung auf mich als Unternehmen zu?

Es wird wohl insgesamt aus Sicht von betroffenen Unternehmen nicht so schlimm wie ursprünglich befürchtet. Der ursprüngliche Entwurf der EU-Kommission ist im Zuge der Verhandlungen mit Rat und Parlament deutlich entschärft worden. So werden wohl vor allem die befürchteten catch all-Klauseln zu Menschenrechtsverletzungen und Terrorismus nicht kommen. Das heißt aber nicht, dass die Anforderungen an die Compliance-Programme der Unternehmen nicht doch steigen. Verfahrenserleichterungen und besondere Genehmigungen wird es nicht ohne die entsprechenden innerbetrieblichen Compliance-Voraussetzungen geben. Ein großes Thema sind auch die vorgeschlagenen Regelungen zur technischen Unterstützung und die damit verbundenen Sorgfaltspflichten für Unternehmen.

2) Warum sind die „catch all-Klauseln“ zu Menschenrechtsverletzungen und Terrorismus gestrichen worden?

Im ursprünglichen Entwurf war vorgesehen, dass die Ausfuhr jeglicher Dual Use-Güter genehmigungspflichtig sein sollte, wenn der Ausführer darüber informiert wurde, dass diese Güter zur Begehung von Menschenrechtsverletzungen oder terroristischen Handlungen bestimmt waren oder sein konnten. Wurde ihm eine solche (geplante) Verwendung durch seinen Geschäftspartner bekannt, musste er dies – sanktionsbewehrt – der zuständigen Behörde mitteilen. Dies wurde zu Recht gestrichen: Denn solche Begriffe und die damit verbundenen Pflichten sind für Unternehmen kaum handhabbar und führen zu Rechtsunsicherheit. Um Sanktionen zu entgehen, hätten Unternehmen einen hohen und kostenintensiven Prüfaufwand treiben müssen. Man hätte ihnen in vielen Fällen raten müssen, sicherheitshalber eine Genehmigung zu beantragen – zum Preis von mehr Bürokratie und längeren Verfahren.

3) Worauf zielen die Änderungen für Erbringer technischer Unterstützung?

Auch nach dem letzten Entwurf der Verordnung soll für den Dual Use-Bereich zukünftig gelten, was bislang schon für andere Ausfuhrbeschränkungen galt: Genehmigungspflichtig kann nicht nur die Lieferung von physischen Waren sein, sondern auch technische Hilfe wie Reparaturen oder Wartung. Auch bloß die Beratung und Wissensvermittlung ist erfasst. Das müssen Unternehmen wissen und beispielsweise ihre Mitarbeiter entsprechend informieren und schulen.

Hinzu kommen neue Sorgfaltspflichten: Wenn einem Erbringer technischer Unterstützung bekannt ist, dass die verwendeten Güter ganz oder teilweise für militärische Endverwendung bestimmt sind, hat er das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) davon zu unterrichten. Ein internes Compliance-Managementsystem muss geeignete Vorkehrungen treffen. Die Regelung kann durch die Mitgliedstaaten noch verschärft werden sodass beispielsweise der „Grund zur Annahme“ für solche Verwendungen ausreicht – es wird abzuwarten bleiben, ob und wie der deutsche Gesetzgeber dies umsetzt.

4) Brauche ich jetzt ein Internal Compliance Programme (ICP)?

Ein ICP ist zwar nicht zwingend im Entwurf der Dual Use-Verordnung vorgeschrieben. Dennoch wird in Zukunft kaum ein Weg an einem solchen Programm vorbeiführen: Zum einen wird es bei der Prüfung der Zuverlässigkeit des Ausführers durch das BAFA an Bedeutung gewinnen. Zum anderen werden zukünftig auch bestimmte Genehmigungen nur noch erteilt, wenn ein solches Programm vorhanden ist: Der Entwurf der Verordnung sieht auch in der aktuellen Fassung eine neue Genehmigung für umfangreiche Projekte vor. Damit soll die Erteilung von Genehmigungen für verschiedene Dual Use-Güter für ein Projekt erleichtert werden. Eine solche Genehmigung soll nur noch erteilt werden, wenn ein ICP vorliegt.

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