Autor

Dr. Benedikt Groh

Senior Associate

Read More
Autor

Dr. Benedikt Groh

Senior Associate

Read More

26. März 2020

Vorsicht bei gerichtlichen Vergleichen: Freizeitausgleich muss ausdrücklich vereinbart sein

Die zu besprechende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 20. November 2019 (5 AZR 578/18) beschäftigt sich mit der Erfüllung des Anspruchs auf Freizeitausgleich im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs. Das BAG hat hierzu entschieden, dass ein entsprechender Positivsaldo des Arbeitskontos nur dann im Rahmen des gerichtlichen Vergleichs ausgeglichen wird, wenn dies hinreichend im Vergleich selbst deutlich zum Ausdruck kommt. Mangelt es daran, hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Ausgleich des Freizeitanspruchs.

I. Sachverhalt 

Die Klägerin war seit Januar 2014 bei der Beklagten als Sekretärin beschäftigt. Bei der Beklagten wurde für die Klägerin ein Arbeitszeitkonto geführt. Das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin wurde fristlos gekündigt. Im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses schlossen die Parteien am 15. November 2016 einen gerichtlichen Vergleich. In diesem hieß es: 

Die Beklagten stellen die Klägerin unwiderruflich von der Pflicht der Erbringung der Arbeitsleistung bis einschließlich 31.01.2017 unter Fortzahlung der vereinbarten Vergütung frei. Urlaubsansprüche der Klägerin für 2016 und 2017 werden mit der Freistellung in Natura gewährt.

Zum 30. September 2016 wies das Arbeitszeitkonto der Klägerin einen Saldo zu ihren Gunsten in Höhe von 67,10 Stunden auf. Die Klägerin forderte mit der am 27. März 2017 anhängig gemachten Klage die Abgeltung des Guthabens ihres Arbeitszeitkontos. Sie war der Ansicht, dies sei vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch Freizeit ausgeglichen worden. Die Beklagte war der Auffassung, dass durch die im gerichtlichen Vergleich vereinbarte unwiderrufliche Freistellung – neben der Urlaubsgewährung – auch der Anspruch der Klägerin auf Freizeitausgleich zum Abbau des Arbeitszeitkontos erfüllt sei. Eine ausdrückliche Vereinbarung sei hierzu nicht nötig gewesen.

II. Entscheidung

Das BAG hat mit Urteil vom 20. November 2019 (5 AZR 578/18) der Revision der Klägerin statt gegeben. Demnach hatte das Landesarbeitsgericht Hamm der Berufung der Beklagten zu Unrecht entsprochen, da die Klage zulässig und begründet ist.

Grundsätzlich halte das Arbeitszeitkonto fest, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitnehmer seine Hauptleistungspflicht nach § 611a Abs. 1 Satz 1 BGB erbracht hat oder aufgrund eines Entgeltfortzahlungstatbestands nicht erbringen musste und deshalb Vergütung beanspruchen kann (sog. positives Saldo). Ein negativer Saldo gebe an, in welchem Umfang der Arbeitnehmer noch Arbeitsleistung für die vereinbarte und gezahlte Vergütung erbringen muss. Begehrt der Arbeitnehmer die Abgeltung eines Guthabens auf seinem Arbeitszeitkonto, mache er folglich (nur) den Vergütungsanspruch für vorgeleistete Arbeit geltend. Dabei kommt es laut Urteil des BAG weder auf die Anspruchsvoraussetzungen „echter“ Überstundenvergütung (ausdrückliche arbeitsvertragliche Vereinbarung der Vergütung von Überstunden oder die Fiktion einer stillschweigenden Vereinbarung nach § 612 Abs. 1 BGB), noch auf die Grundsätze zur Darlegungs- und Beweislast für die Leistung von Überstunden und deren arbeitgeberseitige Veranlassung und Zurechnung im Überstundenprozess an. Der Arbeitgeber stelle mit der vorbehaltlosen Ausweisung der Stunden im Arbeitszeitkonto diese streitlos und bringe regelmäßig zum Ausdruck, dass die Arbeitsstunden tatsächlich und mit seiner Billigung geleistet wurden.

Dabei enthalte nach Auffassung des BAG die einvernehmliche Einrichtung eines Arbeitszeitkontos die konkludente Abrede, dass das Konto spätestens mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses auszugleichen ist. Weder der Arbeitnehmer wolle dem Arbeitgeber vorgeleistete Arbeit „schenken“, noch wolle der vorleistende Arbeitgeber bei einem negativen Saldo auf eine finanzielle Erstattung seiner Vorschussleistung verzichten. Einen Ausgleich des Arbeitszeitkontos versuchte der Arbeitgeber zwar mit der Freistellung im Rahmen des gerichtlichen Vergleichs zu erzielen.

Der Arbeitgeber habe jedoch nicht deutlich gemacht, dass der Arbeitnehmer (auch) zur Erfüllung des Anspruchs auf Freizeitausgleich von der Arbeitspflicht freigestellt werden sollte. Die von den Parteien formulierte unwiderrufliche Freistellung reiche hierfür nicht aus. Laut BAG müsse aufgrund der unterschiedlichen Rechtsfolgen einer Freistellung der Arbeitnehmer erkennen können, dass der Arbeitgeber ihn zur Erfüllung des Anspruchs auf Freizeitausgleich zum Abbau des Arbeitszeitkontos von der Arbeitspflicht freistellen will. Für den Arbeitnehmer sei durch den Vergleich nicht ersichtlich, ob neben dem Urlaub auch die Überstunden abgegolten werden sollten. Somit bestand auch nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers ein positiver Saldo seines Arbeitszeitkontos. Dieses konnte jedoch nur noch finanziell ausgeglichen werden, da eine Freizeitgewährung nicht mehr erfolgen konnte.

III. Praxishinweis 

Die Entscheidung des BAG ist konsequent und hat für den Arbeitgeber die Folge, dass bei dem Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs Vorsicht geboten ist. Es ist von enormer Wichtigkeit, dass eine Freistellung auch deutlich die Abgeltung von Arbeitszeitguthaben regelt. Immerhin kamen die beiden Vorinstanzen durch die Auslegung ein und desselben Vergleichs zu zwei unterschiedlichen Ergebnissen. Besondere Vorsicht ist überdies bei einer unwiderruflichen Freistellung geboten, da der Arbeitgeber nicht nachträglich die Anordnung von Freizeitausgleich anweisen kann. Dieses für den Arbeitgeber nachteilige Ergebnis hätte nur durch eine wirksame Abgeltungsklausel vermieden werden können. Auch an dieser mangelte es in dem gerichtlichen Vergleich.

Call To Action Arrow Image

Newsletter-Anmeldung

Wählen Sie aus unserem Angebot Ihre Interessen aus!

Jetzt abonnieren
Jetzt abonnieren

Related Insights

Employment, Pensions & Mobility

10 pitfalls in German employment and labour law when using ChatGPT

12. Oktober 2023
Briefing

von mehreren Autoren

Klicken Sie hier für Details
Employment, Pensions & Mobility

10 pitfalls in German employment law North American inhouse counsels should know when managing workforces in Germany

31. Juli 2023
In-depth analysis

von mehreren Autoren

Klicken Sie hier für Details
Employment, Pensions & Mobility

Dismissal law and termination procedure under German law

12. Dezember 2022
In-depth analysis

von mehreren Autoren

Klicken Sie hier für Details