12. März 2020
Die Ausbreitung von COVID-19 zeigt bereits wenige Wochen nach dem Ausbruch deutliche wirtschaftliche Auswirkungen. Die Auswirkungen des Coronavirus betreffen zahlreiche Branchen und Unternehmen: den Finanzsektor, die globale Produktion, den grenzüberschreitenden Warentransport, die Gastronomie, den Einzelhandel, den Reise- und Veranstaltungssektor.
Unternehmen leiden zuweilen unter erheblichen Umsatz- und Ertragseinbußen oder befürchten die Störung von Geschäftsabläufen mit gravierenden finanziellen Folgen. Unterhalten diese Unternehmen Darlehensbeziehungen, besteht die Gefahr, dass sie nicht mehr in der Lage sind, die wirtschaftlichen Vorgaben des jeweiligen Kreditvertrags zu erfüllen. Die Risiken des Bruchs von Finanzkennzahlen oder des Eintritts von Kündigungsgründen sind gegenwärtig.
Daher sollten sich Kreditnehmer - unabhängig davon, ob sich die Auswirkungen von Corona in den Unternehmenszahlen bereits zeigen oder nicht - mit den kreditvertraglichen Spielräumen auseinandersetzen. Aber auch Kreditgeber sollten sich vergewissern, welche Schutzklauseln und Eingriffsrechte bestehen. Dies gilt bei bestehenden Darlehen, aber auch für Finanzierungszusagen, soweit noch keine Auszahlung erfolgt ist.
Im Folgenden geben wir Ihnen eine Zusammenfassung der in diesen Zeiten besonders zu berücksichtigenden Regelungen in Finanzierungstransaktionen.
Finanzkennzahlen dienen Kreditgebern als klassisches Frühwarnsystem hinsichtlich der finanziellen Situation des Darlehensnehmers. Werden diese nicht eingehalten, stellt dies unter anderem einen Kündigungsgrund unter dem Kreditvertrag dar. Zugleich führt der Bruch häufig zu einer automatischen Erhöhung der Verzinsung sowie dem Entfallen von weiteren Inanspruchnahmemöglichkeiten.
Corona-bedingte Umsatzeinbußen, beispielsweise aufgrund gestörter Lieferwege oder Produktionsprobleme oder dem schlichten Ausbleiben der Kunden, schlagen unmittelbar auf die meisten Finanzkennzahlen durch. Dabei ist es unerheblich, ob nur der Verschuldungsgrad (Leverage) gemessen wird oder ob daneben noch weitere Finanzkennzahlen, wie Eigenkapitalquote, Schuldendienst- oder Zinsdeckungsgrad, gelten. Zu prüfen ist insbesondere, ob und inwieweit
Eine allgemeine Regelung zur Nichtanwendung oder Aussetzung von vertraglichen Regelungen bei Pandemien oder Fällen höherer Gewalt gibt es in aller Regel nicht. Um die schweren Folgen eines Bruchs von Finanzkennzahlen gleichwohl zu vermeiden, sollten Darlehensnehmer daher schon frühzeitig vor dem Eintritt des Bruchs auf Transparenz setzen, eine Kommunikationsstrategie erarbeiten und den Verzicht des Darlehensgebers auf die Ausübung des Kündigungsrechts (Waiver) sowie bei tiefergehenden Auswirkungen die Anpassung des Kreditvertrags beantragen (Covenant Reset).
Dabei wird es interessant sein, ob Kreditgeber die Chance nutzen werden, besonders kreditnehmerfreundliche Bedingungen nach zu verhandeln oder ob ein eher nachsichtiger Ansatz gewählt wird. Letzteres mag zumindest bei solchen Darlehensnehmern denkbar sein, die im Übrigen gesund sind und keine operativen, strukturellen oder konjunkturellen Themen haben.
Im Hinblick auf künftig abzuschließende Kreditverträge bereitet die Prognose der Marktbedingungen sowie der künftigen Geschäftsentwicklung des Darlehensnehmers naturgemäß Schwierigkeiten. Besondere Bedürfnisse der jeweiligen Branche, des spezifischen Unternehmens und die konjunkturelle Großwetterlage sollten bei den Verhandlungen der Finanzkennzahlen, beispielsweise der Dimensionierung des Pufferbetrages (Headroom), berücksichtigt werden.
Kreditverträge berechtigen den Darlehensgeber in der Regel zur Kündigung des Darlehens, wenn eine wesentlich nachteilige Änderung im Hinblick auf die wirtschaftliche oder finanzielle Situation des Darlehensnehmers eingetreten ist.
Ob die Corona-Epidemie tatsächlich einen Fall der MAC darstellt, ist eine Frage der konkreten Ausgestaltung der MAC-Klausel und der tatsächlichen Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sowie die Zahlungsfähigkeit des Kreditnehmers und der Unternehmensgruppe.
Sofern der Darlehensnehmer eine drastische Verschlechterung der wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse des Darlehensnehmers befürchtet, ist es unabdingbar, dass Darlehensnehmer auf Basis einer vorab geplanten Kommunikationsstrategie mit ihren Darlehensgebern in Dialog treten. Mögliche Wege für das Unternehmen, die wirtschaftlichen Folgen des Coronavirus zu überstehen, sollten vor den Gesprächen eruiert werden, um jederzeit sprech- und auskunftsfähig zu sein.
Gerade bei Akquisitionsfinanzierungen ist die Finanzierungssicherheit für Investoren, aber auch Verkäufer ein immens wichtiger Gesichtspunkt. Sogenannte certain funds – Regelungen in Kreditverträgen schränken die möglichen Gründe eines Kreditgebers, eine Auszahlung zum Zwecke der Kaufpreiszahlung zu verweigern, auf wenige – aus Investorensicht häufig beherrschbare – Umstände ein. Hintergrund für derartige Regelungen sind neben der Finanzierungssicherheit, häufig auch rechtliche / regulatorische Gründe, wie bei öffentlichen Übernahmen.
Auch wenn Certain Funds – Regelungen auch in Zeiten von Corona Kreditgeber nicht zur Verweigerung der Kaufpreisziehungen berechtigen dürften, sollten Darlehensnehmer gleichwohl die Regelungen genau analysieren.
Nicht nur die Fortführung des Darlehensverhältnisses, sondern auch Finanzierungszusagen (Commitment Letter) stehen des Öfteren unter der Bedingung, dass zwischenzeitlich keine wesentlich nachteilige Veränderung (MAC) eingetreten ist.
Bereits abgegebene und abzugebende Finanzierungszusagen (Commitment Letter) sind dahingehend zu untersuchen, ob und inwieweit die Entwicklungen der Corona-Epidemie berücksichtigt werden.
Unter dem Gesichtspunkt der Finanzierungssicherheit ist es für Kreditnehmer anzustreben, dass die konkrete Finanzierungszusage möglichst keine MAC oder zumindest eine weitest möglich kreditnehmerfreundliche MAC enthält.
Darlehensgebern hingegen ist anzuraten, die Auswirkungen von Corona und anderen wesentlichen wirtschaftlichen Effekten auf den konkreten Darlehensnehmer und die Zielgesellschaft präzise zu analysieren und den MAC auf dieser Basis so zu vereinbaren, dass die Möglichkeit besteht, sich im worst case – Szenario auch von einer Finanzierungszusage zu lösen.
In Syndizierungsschreiben oder der Finanzierungszusage (Commitment Letter) wird es dem Arrangeur zuweilen ermöglicht, die Preisgestaltung oder gar die Bedingungen eines Darlehens zu ändern, wenn Marktveränderungen dies für eine erfolgreiche Syndizierung des Kredits erfordern. Gerade in Zeiten, die durch volatile Finanzmärkte gekennzeichnet sind, erlangt diese Bestimmung eine erhebliche Bedeutung und bedarf einer eingehenden Prüfung.
Zusicherungen beinhalten die Bestätigung der Richtigkeit bestimmter Tatsachen zu einem vereinbarten Zeitpunkt oder zum Zeitpunkt der Abgabe der Zusicherung. Die Zeit der Corona-Epidemie ist von rasanten Entwicklungen in der Wirtschaft geprägt. Der Darlehensnehmer sollte sorgfältig prüfen, ob er bei Abschluss des Kreditvertrags die ausverhandelten Zusicherungen oder im Laufe des Kreditverhältnisses die wiederholten Zusicherungen tatsächlich abgeben kann.
Als fristrelevanter Bankarbeitstag wird in Kreditverträgen grundsätzlich der Tag bezeichnet, an dem Banken in bestimmten Städten für den allgemeinen Geschäftsverkehr geöffnet sind. Es ist ungewiss, ob es in Zukunft zu zeitweiligen Schließungen von Banken kommen wird. Auch die Ausrufung verlängerter Feiertage, wie sie in der Volksrepublik China bereits praktiziert wurde, ist nicht ausgeschlossen. Es besteht daher das Risiko, dass sich Rückzahlungs- oder andere vertraglich geregelte Fristen wie Mitteilungs- oder Heilungsfristen verschieben.
Dem Darlehensgeber steht nach der Cross Default-Klausel ein Kündigungsrecht zu, wenn der Darlehensnehmer oder gegebenenfalls Mitglieder der Gruppe nicht in der Lage sind, Finanzverbindlichkeiten, die einen gewissen Schwellenwert überschreiten, gegenüber einem anderen Gläubiger zu erfüllen. Aufgrund der aktuellen für manchen Wirtschaftszweig dramatischen Entwicklungen und damit zusammenhängenden möglichen Zahlungsausfällen besteht für Darlehensnehmer das erhöhte Risiko der Fälligstellung des Darlehens durch den Darlehensgeber.
Die Zeiten der Corona-Krise stellen eine wirtschaftliche Herausforderung dar, die es insbesondere durch frühzeitige Kommunikation und Transparenz zu bewältigen gilt. Um Beeinträchtigungen der Darlehensbeziehungen zu vermeiden, sollten die relevanten Bestimmungen in den Kreditverträgen einer sorgfältigen Überprüfung unterzogen werden. Auch der Abschluss neuer Finanzierungsverträge sollte den aktuellen Entwicklungen Rechnung tragen.
Gleichzeitig wird derzeit davon ausgegangen, dass Banken ihre Kunden in dieser Situation nicht im Stich lassen. Vielmehr hat das Bundesfinanzministerium nach Informationen des Handelsblatts ein Spitzentreffen einberufen, in dem analysiert werden soll, wie Banken ihre Kunden in den Zeiten der Corona-Krise unterstützen können. Zudem hat die Bundesregierung signalisiert, dass die öffentlichen Kreditinstitute und Förderbanken Unternehmen und Gründern mit günstigen Finanzierungsbedingungen zur Seite stehen sollen, um die Auswirkungen von Corona abzuwettern.
Unter dem Strich ist es wichtig, eine gute Analyse der Corona-Auswirkungen und der vertraglichen Situation durchzuführen, darauf eine transparente und durchdachte Kommunikationsstrategie zu entwickeln und dann das Gespräch mit den Finanzierungspartnern zu suchen.
Wir haben für Sie umfassende Informationen und Handlungsempfehlungen zu zahlreichen rechtlichen Implikationen im Kontext der Coronavirus-Pandemie zusammengestellt: Coronavirus - Antworten zu rechtlichen Implikationen
von Dr. Alper Utlu und Clemens Niedner
von mehreren Autoren
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