Autor

Florian Schulte

Senior Associate

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10. Oktober 2019

Neues zum Verbot der Vorbeschäftigung bei sachgrundloser Befristung

I. Einleitung

Die Vereinbarung eines befristeten Arbeitsverhältnisses bedarf grds. eines sachlichen Grundes, während eine sachgrundlose Befristung nur eingeschränkt möglich ist. Gemäß § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG ist eine Befristung ohne Sachgrund insbesondere dann unzulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Seine bisherige Rechtsprechung zur Auslegung dieses Vorbeschäftigungsverbots musste das Bundesarbeitsgericht (BAG) nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) aus dem Jahr 2018 ändern. In die Serie der daraufhin ergangenen Entscheidungen des BAG reiht sich das hier besprochene Urteil vom 21. August 2019 (Az.: 7 AZR 452/17) ein. Nach der bislang nur als Pressemitteilung vorliegenden Entscheidung steht zumindest ein 22 Jahre zurückliegendes Arbeitsverhältnis einer sachgrundlosen Befristung nicht entgegen.

II. Sachverhalt

Die Klägerin war bereits von 1991 bis Ende November 1992 bei der Beklagten beschäftigt. Mit Wirkung zum 15. Oktober 2014 wurde die Klägerin erneut auf Grundlage eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrages eingestellt, der später bis zum 30. Juni 2016 verlängert wurde. Die Klägerin begehrte die Feststellung, dass ihr Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristung geendet habe. Während das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen hatte, gab das Landesarbeitsgericht ihr statt. Die hiergegen gerichtete Revision der Arbeitgeberin hatte Erfolg.

III. Entscheidungsgründe

Das BAG führte zur Begründung aus, dass eine Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Sachgrund zwar im Falle einer Vorbeschäftigung grundsätzlich nicht zulässig sei. Die Fachgerichte müssten jedoch den Anwendungsbereich des Vorbeschäftigungsverbots durch verfassungskonforme Auslegung einschränken, soweit ein Verbot einer sachgrundlosen Befristung für die Arbeitsvertragsparteien unzumutbar sei. Dies sei der Fall, wenn der von § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG bezweckte Schutz vor Kettenbefristungen nicht berührt und ein Verbot der sachgrundlosen Befristung nicht erforderlich sei, um das unbefristete Arbeitsverhältnis als vom Gesetzgeber gewünschte Regelbeschäftigungsform zu erhalten. Hierzu führt das BAG wörtlich aus:

„Das Verbot der sachgrundlosen Befristung kann demnach unter anderem dann unzumutbar sein, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lange zurückliegt.“

Eine solche sehr lang zurückliegende Vorbeschäftigung sei gegeben, wenn zwischen beiden Arbeitsverhältnissen 22 Jahre vergangen sind.

IV. Einordnung in die aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung zum Verbot der Vorbeschäftigung

Seit 2011 ging das BAG trotz von Seiten der Literatur geäußerter Kritik davon aus, dass eine Vorbeschäftigung i.S.d. § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG nicht gegeben sei, wenn das frühere Arbeitsverhältnis mehr als drei Jahre zurücklag. Mit Beschluss vom 6. Juni 2018 (Az.: 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14) entschied das BVerfG jedoch, dass diese Rechtsprechung eine nicht mit dem Grundgesetz vereinbare Rechtsfortbildung sei. Das BVerfG formulierte sogar drastisch, dass die Auslegung des BAG „die Grenzen vertretbarer Auslegung gesetzlicher Vorgaben durch die Gerichte“ überschreite.

Ungeachtet dessen könne allerdings, so das BVerfG, eine sachgrundlose Befristung trotz einer Vorbeschäftigung dann zuzulassen sein, wenn diese gegenüber der neuen Beschäftigung ganz anders geartet (z.B. bei geringfügigen Nebenbeschäftigungen während der Schulzeit oder bei Werkstudierenden) oder von nur sehr kurzer Dauer war. Darüber hinaus sei ein Verbot der sachgrundlosen Befristung auch dann nicht erforderlich, wenn die Vorbeschäftigung sehr lange zurückliege, da in diesem Fall keine Kettenbefristung drohe.

Vor diesem Hintergrund war das BAG gezwungen, seine bisherige Rechtsprechung anzupassen. In einem ersten Urteil vom 23. Januar 2019 (Az.: 7 AZR 733/16; siehe unseren Newsletter vom 1. Februar 2019) entschied das BAG zunächst, dass ein acht Jahre zurückliegendes Arbeitsverhältnis einer sachgrundlosen Befristung entgegenstünde. Mit Urteil vom 17. April 2019 (Az.: 7 AZR 323/17) entschied das BAG dann, dass sogar eine 15 Jahre zurückliegende Beschäftigung als Vorbeschäftigung im Sinne von § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG gelte. Denn es genüge nicht „dass das Vorbeschäftigungsverhältnis lang zurückliegt, es muss vielmehr sehr lang zurückliegen“.

Mit der Entscheidung vom 21. August 2019 hat das BAG nun erstmals einen zeitlichen Abstand zu einem vorherigen Arbeitsverhältnis als für eine sachgrundlose Befristung unschädlich angesehen. Jedenfalls bei einem 22 Jahre zurückliegenden Arbeitsverhältnis kann daher nunmehr von einer sehr lange zurückliegenden Vorbeschäftigung ausgegangen werden.

V. Hinweise für die Praxis

Nach der Entscheidung des BVerfG war für die praktische Anwendung zunächst unklar, wie lange ein Beschäftigungsverhältnis bei demselben Arbeitgeber in der Vergangenheit liegen müsse, um einer sachgrundlosen Befristung nicht entgegenzustehen. Nun können Arbeitgeber jedenfalls bei mindestens 22 Jahre zurückliegenden Beschäftigungen eine sachgrundlose Befristung vereinbaren.

Für den Zeitraum zwischen 15 und 22 Jahren ist dagegen weiterhin unklar, ab wann eine Beschäftigung bereits „sehr lang“ in der Vergangenheit liegt. Das BAG hatte in den Entscheidungen aus Januar und April 2019 allerdings ausgeführt, dass ein Erwerbsleben bei typisierender Betrachtung mindestens 40 Jahre umfasse und im zweiten Schritt berechnet, wie viele sachgrundlose Befristung mit demselben Arbeitgeber in dieser Zeitspanne möglich seien. Entscheidend sei insofern, dass eine sachgrundlose Befristung nach dem Willen des Gesetzgebers in einem Erwerbsleben die Ausnahme bleibe. In der Entscheidung vom 17. April 2019 errechnete das BAG beispielsweise, dass bei einer zulässigen Höchstdauer einer sachgrundlosen Befristung von zwei Jahren (§ 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG) und einem Abstand von 15 Jahren in einem Erwerbsleben drei sachgrundlos befristete Arbeitsverträge mit demselben Arbeitnehmer möglich seien. In diesem Fall sei die sachgrundlose Befristung nicht mehr die Ausnahme.

Bei einer bereits 22 Jahre zurückliegenden Vorbeschäftigung sieht das BAG diese Gefahr dagegen offenbar nicht. In diesem Fall könnten bei einem Arbeitgeber zwei sachgrundlose Befristungen mit einer Dauer von zwei Jahren und einem zeitlichen Abstand von 22 Jahren vereinbart werden. Daraus folgt, dass das BAG streng genommen bereits ab einem Abstand von 18 Jahren von einer sehr lange zurückliegenden Vorbeschäftigung ausgehen müsste. Denn auch in diesem Fall wären in einem „Regel-Erwerbsleben“ lediglich zwei sachgrundlose Befristungen denkbar.

Allerdings kann auch diese Sichtweise leider noch keineswegs als rechtssicher bezeichnet werden. Denn in der Entscheidung vom 17. April 2019 führte das BAG im Hinblick auf die 15 Jahre zurückliegende Vorbeschäftigung als weitere Begründung aus, dass nach § 622 Abs. 2 BGB die längste Kündigungsfrist erst nach 20 Jahren Betriebszugehörigkeit eingreife, nicht schon nach 15 Jahren. Wenn dies tatsächlich der Maßstab sein soll, so würde eben nur eine bereits 20 Jahre zurückliegende Beschäftigung einer erneuten sachgrundlosen Befristung nicht entgegenstehen. Ob dies nach dem BAG wirklich als absoluter Maßstab gelten soll, bleibt abzuwarten. Für die Praxis folgt hieraus bis auf Weiteres aber, dass bei einem weniger als 22 Jahre zurückliegenden Beschäftigungsverhältnis rechtssicher nur eine Befristung mit Sachgrund vereinbart werden sollte.

Zu beachten ist schließlich, dass eine sachgrundlose Befristung weiterhin möglich ist, wenn es sich bei der vergangenen Tätigkeit um eine atypische Vorbeschäftigung handelt oder das Beschäftigungsverhältnis nur sehr kurz bestanden hat. Im Hinblick auf Letzteres dürfte interessant sein, dass nach der Entscheidung des BAG vom 17. April 2019 jedenfalls eine Beschäftigung von 18 Monaten nicht als eine nur sehr kurze Vorbeschäftigung angesehen werden kann. Da das BAG argumentativ u.a. auf den 3-Monats-Zeitraum aus § 622 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 BGB Bezug genommen hat, dürfte bei vergangenen Beschäftigungsverhältnissen von bis zu drei Monaten jedoch von einem zur Unanwendbarkeit des Vorbeschäftigungsverbotes führenden Ausnahmefall auszugehen sein.

 

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