21. Juni 2019
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 12. Juli 2018 (I ZR 74/17) entschieden, dass die Gefahr einer undeutlichen Aussprache einer mehrsilbigen Marke in klanglicher Hinsicht zu einer erhöhten Verwechselungsgefahr führen kann. Zudem konkretisiert der BGH die Kriterien dafür, wann die Verletzung einer Unionsmarke in einem Mitgliedsstaat auch die Untersagung der Benutzung der Marke in den anderen Mitgliedsstaaten rechtfertigt.
Der Entscheidung lag ein Streit zwischen einem deutschen Softwarehersteller (Kläger) und einem Unternehmen mit Sitz in Israel (Beklagte) zugrunde, das weltweit Computerprogramme über einen e-Store vertreibt. Der Kläger vertreibt unter anderem die Software „combit Relationship Manager“ für Unternehmen verschiedener Branchen und ist Inhaber der Unionsmarke „combit“. Er wendete sich gegen den Verkauf einer Professional-Service-Automation-Software mit der Bezeichnung „commit CRM“ im e-Store der Beklagten wegen Verletzung seiner Unionsmarke. Nachdem das Oberlandesgericht Düsseldorf zunächst in zweiter Instanz zu Gunsten des Beklagten entschieden hatte, hob der BGH diese Entscheidung auf. Dabei betonte er zunächst, dass in klanglicher Hinsicht zwischen den mehrsilbigen Marken „combit“ und „commit“ eine hohe Verwechselungsgefahr bestehe. Denn die Tatsache, dass bei der Aussprache der mehrsilbigen Klagemarke, nicht aber der angegriffenen Bezeichnung zwischen einzelnen Silben eine Lippenumformung zu erfolgen hat (hier: beim Übergang von „com-“ zu „-bit“), spreche wegen der Möglichkeit der undeutlichen Aussprache gerade für eine Ähnlichkeit der Zeichen.
Entgegen der Ansicht des OLG befand der BGH auch, dass der Sinngehalt des Wortes „commit“ die Ähnlichkeit der Zeichen in klanglicher und bildlicher Hinsicht nicht neutralisiere. Es sei aufgrund der Tatsache, dass die Beklagte ihre Produkte auch über einen deutschsprachigen Online-Shop vertrieb bereits von keinem homogenen englischsprachigen Verkehrskreis auszugehen, der dem Wort einen eindeutigen Sinngehalt entnehmen könne. Zum anderen habe das OLG dem Wort „commit“ zwar verschiedene Bedeutungen, aber ebenfalls keinen eindeutigen Sinngehalt zugrunde gelegt.
Schließlich hatte sich der BGH mit der Frage zu befassen, ob die Verletzung einer Unionsmarke in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union auch gleichzeitig eine Verletzungshandlung in allen anderen Mitgliedstaaten bedeutet. Hierzu hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) bereits vorgegeben, dass im Falle einer Verletzung einer Unionsmarke in Deutschland – um einheitlichen Schutz zu garantieren – grundsätzlich auch die Untersagung für die gesamte Union zu erfolgen hat (Az. C-223/15). Etwas Anderes gelte nur dann, wenn das zuständige Gericht feststellt, dass in einzelnen Mitgliedstaaten insbesondere in klanglicher Hinsicht keine Verwechslungsgefahr besteht. Letzteres war vorliegend nicht von der Vorinstanz festgestellt worden. Eine im Gebiet eines Mitgliedstaates begangene Verletzungshandlung begründe grundsätzlich eine Wiederholungsgefahr für das gesamte Unionsgebiet. Nach Auffassung des BGH obliege es daher grundsätzlich dem Verletzer der Marke darzulegen und zu beweisen, dass aus sprachlichen Gründen zwar in einigen Teilen des Unionsgebietes eine Verwechslungsgefahr, in anderen jedoch keine anzunehmen sei und der Unterlassungsanspruchs daher innerhalb der Europäischen Union auf einzelne Staaten beschränkt werden müsse.
Praxishinweis:
Unternehmen sollten stets genau darauf achten, ob bei einer mehrsilbigen Marke die Möglichkeit einer undeutlichen Aussprache besteht und dies ein benutztes Zeichen in klanglicher Hinsicht in die Nähe der angemeldeten Marke rückt.
Außerdem sollten beklagte Unternehmen in Verfahren, in denen durch den Kläger die Verletzung einer Unionsmarke geltend gemacht wird, auch die ggf. sprachlichen Besonderheiten bzw. Unterschiede in den einzelnen Mitgliedsstaaten der EU berücksichtigen, um möglicherweise die Durchsetzung eines unionsweiten Verbotes verhindern zu können.