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Dr. Jan Kern

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1. Februar 2019

Unwirksamkeit sachgrundloser Befristung bei Vorbeschäftigung

Acht Jahre sind keine „sehr lange“ Zeit

I. Einleitung

Nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Das BAG schränkte dieses Verbot im Urteil vom 6. April 2011 (7 AZR 716/09) dahingehend ein, dass Vorbeschäftigungen, die länger als drei Jahre zurückliegen, nicht zur Unzulässigkeit einer sachgrundlosen Befristung führen. Es orientierte sich hierbei an der regelmäßigen Verjährungsfrist aus § 195 BGB. Mit Beschluss vom 6. Juni 2018 (1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14) erkannte das Bundesverfassungsgericht, dass das BAG damit die Grenze vertretbarer Auslegung überschritten hat, da der Gesetzgeber eine solche Karenzzeit erkennbar nicht regeln wollte. Nun setzte das BAG mit Urteil vom 23. Januar 2019 erstmals den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts um und hielt eine sachgrundlose Befristung aufgrund einer acht Jahre zurückliegenden Vorbeschäftigung bei demselben Arbeitgeber für unzulässig.

II. Sachverhalt

Der Kläger war vom 19. März 2004 bis zum 30. September 2005 befristet als gewerblicher Mitarbeiter bei der Beklagten tätig. Mit Wirkung zum 19. August 2013 stellte die Beklagte den Kläger erneut sachgrundlos befristet als Facharbeiter ein und verlängerte die Vertragslaufzeit mehrfach, zuletzt bis zum 18. August 2015. Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt nicht geendet hat.

Die Vorinstanzen haben der Befristungskontrollklage stattgegeben.

III. Entscheidung

Die Revision der Arbeitgeberin hatte keinen Erfolg. Das Arbeitsverhältnis des Klägers habe nicht mit Ablauf der Befristung am 18. August 2015 geendet. Zwar müssten die Fachgerichte auch nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts den Anwendungsbereich des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG durch verfassungskonforme Auslegung einschränken, soweit das Verbot der sachgrundlosen Befristung unzumutbar sei. Das Verbot der sachgrundlosen Befristung sei dann unzumutbar, wenn die Gefahr einer Kettenbefristung unter Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten nicht bestehe und es daher zur Erhaltung des unbefristeten Arbeitsverhältnisses als Regelbeschäftigungsform nicht erforderlich sei. Das wäre insbesondere der Fall, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lange zurückliege, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen sei. Das BAG urteilte, dass der vorstehende Sachverhalt keinen solchen Fall darstelle, da die Vorbeschäftigung mit acht Jahren nicht sehr lange zurückliege. Die erneute sachgrundlose Befristung war daher unzulässig und das Arbeitsverhältnis bestand über den Ablauf des 18. August 2015 fort.

IV. Praxishinweis

In seiner Entscheidung setzt das BAG den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts um und gibt seine bisherige Rechtsprechung auf. Auch könne sich der Arbeitgeber nicht darauf berufen, die Befristung im Vertrauen auf die Entscheidung des BAG aus dem Jahr 2011 vereinbart zu haben. Warum kein Vertrauensschutz gewährt wurde, lässt sich der Pressemitteilung nicht entnehmen.

Die Pressemitteilung lässt auch offen, wann eine Vorbeschäftigung „sehr lang zurückliegt“. Acht Jahre waren dem BAG nicht lang genug. Es ist zu hoffen, dass die Entscheidungsgründe bezüglich der Ausnahmen vom Verbot der sachgrundlosen Befristung bei Vorbeschäftigung Klarheit bringen werden. U.E. läge zumindest dann ein solcher Ausnahmefall vor, wenn zum Beispiel ein Arbeitnehmer 15 Jahre zuvor während der Schul- oder Studienzeit für drei Monate einer Nebenbeschäftigung mit einem geringen zeitlichen Gesamtumfang (insgesamt ~50 Stunden) bei demselben Arbeitgeber nachgekommen ist und im Rahmen dessen gänzlich andere Aufgaben übernommen hatte (bspw. zunächst Aushilfe im Archiv, später Ingenieurstätigkeit). Dennoch ist Arbeitgebern zumindest bis zur Veröffentlichung der Entscheidungsgründe grundsätzlich davon abzuraten, Arbeitsverhältnisse sachgrundlos zu befristen, wenn mit dem Arbeitnehmer jemals zuvor ein Arbeitsverhältnis bestanden hat.

Die Anmerkung beruht auf der Pressemitteilung Nr. 3/19 des BAG, da die Entscheidungsgründe noch nicht vorliegen.

(BAG, Urt. v. 23.01.2019 – 7 AZR 733/16; vorhergehend LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 11.08.2016 – 3 Sa 8/16)

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