6. Dezember 2018

OLG Hamburg: Datenschutzrechtliche Verstöße können von Mitbewerbern auch nach Inkrafttreten der DS-GVO wettbewerbsrechtlich verfolgt werden

Das Oberlandesgericht Hamburg hat am 25.10.2018 (3 U 66/17) entschieden, dass datenschutzrechtliche Verstöße von Mitbewerbern auch nach Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) wettbewerbsrechtlich abmahnfähig sind. Diese Thematik war bereits Gegenstand widerstreitender untergerichtlicher Entscheidungen. Während sich das Landgericht Bochum (Urteil vom 07.08.2018, I-12 O 85/18) und das Landgericht Wiesbaden (Urteil vom 05.11.2018, , Volltext noch nicht abrufbar) gegen eine Verfolgbarkeit von Datenschutzverletzungen durch Mitbewerber ausgesprochen haben, hat das Landgericht Würzburg dies mit Beschluss vom 13.09.2018, Az. 11 O 1741/18 bejaht.

Verarbeitung von Gesundheitsdaten ohne Einwilligung

Im vorliegenden Fall hatte das OLG Hamburg über die Geschäftspraktiken eines Herstellers für Immuntherapeutika zu entscheiden. Der Hersteller verarbeitete personenbezogene Daten, einschließlich Gesundheitsdaten, der mit dem Medikament behandelten Patienten ohne deren Einwilligung. Die Klägerin war eine Mitbewerberin, die ihrerseits eine Einwilligung einholte. Sie sah in dem Vorgehen der Beklagten einen Rechtsbruch gemäß § 3a Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und verlangte Unterlassung. Das Landgericht Hamburg war in der Vorinstanz, noch unter der Geltung des alten Datenschutzrechts, der Auffassung der Klägerin gefolgt und hatte die Beklagte verurteilt, eine Datenverarbeitung ohne Einwilligung der Patienten zu unterlassen.

DS-GVO beinhaltet kein abschließendes Sanktionssystem

Das OLG Hamburg bejahte die Klagebefugnis der Klägerin als Wettbewerberin. Daran ändere auch das Inkrafttreten der DS-GVO nichts. Die DS-GVO stelle gerade kein abgeschlossenes Sanktionssystem dar. Bereits dem Vorgänger der DS-GVO, der Datenschutzrichtlinie 95/46/EG, sei ein solcher Grundsatz nicht zu entnehmen gewesen. Weder aus der Vorschrift, die eine Verbandsklage erlaube, noch aus dem Abschnitt zu Sanktionen ließe sich ein abschließendes Sanktionssystem ableiten. Vielmehr enthalte Art. 80 Abs. 2 DS-GVO eine explizite Ermächtigung zur Anwendung nationaler Rechtsbehelfe, die eine Verfolgung datenschutzrechtlicher Rechtsverletzungen durch andere als die jeweils betroffenen Personen zum Gegenstand haben. Auch die Formulierung „[…] unbeschadet eines anderweitigen verwaltungsrechtlichen oder (außer-)gerichtlichen Rechtsbehelfs […]“ in den Art. 77 Abs. 1, 78 Abs. 1 und 2 sowie in Art. 79 Abs. 1 DS-GVO spreche für diese Auslegung. Daneben spreche Art. 82 DS-GVO explizit von „jeder Person“, die Schadensersatzansprüche geltend machen könne. Dies beziehe einen größeren Personenkreis ein, als lediglich den von der Datenverarbeitung Betroffenen. Schließlich eröffne Art. 84 Abs. 1 DS-GVO den Mitgliedstaaten die Option, weitere Sanktionen festzulegen. Das OLG Hamburg schlussfolgert daraus, dass die DS-GVO nur einen Mindeststandard an Sanktionen vorsehe, ohne jedoch ein abgeschlossenes Sanktionssystem zu statuieren.

Kein Wettbewerbsverstoß, da keine marktverhaltensregelnde Norm

Nach Auffassung des Gerichts war die Datenerhebung der Beklagten zwar nicht durch einen gesetzlichen Erlaubnistatbestand oder eine Einwilligung der Patienten gedeckt. Die Klägerin als Mitbewerberin könne sich jedoch nicht auf eine Verletzung der in Frage stehenden Vorschriften berufen, da es sich hierbei nicht um markverhaltensregelnden Normen handele. Eine solche müsse zumindest auch dem Schutz der wettbewerbsrechtlichen Belange der Mitbewerber dienen. Schützt die Norm wichtige Gemeinschaftsgüter oder Interessen Dritter, bedeute dies nicht zugleich auch den Schutz der Interessen von Marktteilnehmern. Während im Falle der Nutzung von Daten zu Werbezwecken eine Marktverhaltensregel angenommen werden könne, sei die bei Gesundheitsdaten nicht der Fall. Der Schutz von Gesundheitsdaten sollen Patienten zugutekommen und deren Persönlichkeitsrechte wahren. Er ziele aber nicht darauf ab, gleiche Marktbedingungen für Wettbewerber herzustellen. Das Argument, die Klägerin verliere Kunden, weil sie sich im Gegensatz zu der Beklagten rechtstreu verhalte, verfing somit nicht.

Fazit: Abmahnrisiko steigt, Rechtsunsicherheit bleibt

Durch das Urteil des OLG Hamburg steigt zwar das Risiko wettbewerbsrechtlicher Abmahnungen, auch bei Verstößen gegen die DS-GVO. Die divergierenden Rechtsauffassungen der Gerichte zeigen aber, dass auch weiterhin Rechtsunklarheit herrschen wird, ob die DS-GVO ein abschließendes Sanktionssystem darstellt. Das Gericht hat sich hier ausführlich dazu geäußert, weshalb aus seiner Sicht die DS-GVO kein abschließendes Sanktionssystem darstellt. Ob dies von anderen Gerichten geteilt wird, bleibt aber abzuwarten. Offen bleibt in diesem Zusammenhang auch die Frage, welche Normen von den Gerichten als Marktverhaltensregel eingestuft werden. Letztlich wird hier wohl nur der Bundesgerichtshof Rechtssicherheit schaffen können.

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