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15. Mai 2018

Erbschaftsteuerverschonung für Wohnungsunternehmen – Alles bleibt beim Alten

Mit Urteil vom 24.10.2017 (II R 44/15, RS1263200) hatte der BFH entschieden, dass die erbschaftsteuerliche Verschonung für „Wohnungsunternehmen“ (jetzt: § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 Buchst. d ErbStG) einen „wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb“ im Sinne einer originär gewerblichen Tätigkeit (z.B. aufgrund von Sonderleistungen in Form einer Übernahme der Reinigung der vermieteten Wohnungen oder der Bewachung des Gebäudes) erfordere. Diesen Anforderungen wird der überwiegende Teil typischer großer Vermietungsgesellschaften nicht gerecht. Der gesetzliche Verschonungstatbestand droht daher bei Anwendung der BFH-Sichtweise weitgehend leer zu laufen (vgl. hierzu Escher, Steuerboard vom 26.02.2018). Die Reaktion der Finanzverwaltung auf das genannte BFH-Urteil wurde daher mit Spannung erwartet. Nun hat die Finanzverwaltung mit einem Nichtanwendungserlass reagiert (Gleichlautende Erlasse vom 23.04.2018, DB1270406).

Nichtanwendungserlass der Finanzverwaltung

Die obersten Finanzbehörden aller Bundesländer haben entschieden, dass die Grundsätze des BFH-Urteils vom 24.10.2017 nicht über den entschiedenen Einzelfall hinaus angewendet werden sollen. An der bisherigen typisierenden Betrachtungsweise in R E 13b.13 Abs. 3 ErbStR 2011 ist danach weiterhin festzuhalten (Gleichlautende Erlasse vom 23.04.2018, DB1270406). Die Anordnung des Erlasses erfolgte nicht befristet im Sinne einer Übergangsregelung für noch offene Fälle, sondern zeitlich unbefristet.

Da die koordinierten Ländererlasse vom 22.06.2017 (VA1245300) in Abschn. 13b.17 identische Regelungen wie die ErbStR 2011 enthalten, ist davon auszugehen, dass bezüglich der Anweisungen dieser Ländererlasse entsprechendes gilt.

Praxisfolgen

Aufgrund des Nichtanwendungserlasses verbleibt es bei der bisherigen Verwaltungspraxis, welche der Intention des Gesetzgebers gerecht wird und die aufgrund der typisierenden Betrachtung auf Seiten der Steuerpflichtigen für hinreichende Planungssicherheit sorgt und auf Seiten der Finanzverwaltung ein praktikables und in der Praxis bereits bewährtes Besteuerungsverfahren gewährleistet. Anteile an Gesellschaften mit einem großen Bestand vermieteter Wohnimmobilien werden daher weiterhin erbschaft- und schenkungsteuerbegünstigt übertragen werden können, soweit die in den Verwaltungsanweisungen niedergelegten Voraussetzungen erfüllt sind. Das vom BFH als kritisch erachtete Merkmal der Erforderlichkeit eines „wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs“ ist danach jedenfalls bei Vorliegen von mehr als 300 Wohneinheiten regelmäßig als erfüllt anzusehen. Bei einer geringeren Wohnungsanzahl kann eine Würdigung im Einzelfall anhand der in den Verwaltungsanweisungen genannten Kriterien erfolgen.

Vor dem Hintergrund der abweichenden Ansicht des BFH zur Auslegung des gesetzlichen Tatbestandes empfiehlt es sich in der Praxis jedoch noch mehr als in der Vergangenheit, entsprechende Gestaltungen nur nach Einholung einer verbindlichen Auskunft (§ 89 Abs. 2 AO) umzusetzen. Denn sollte die zuständige Finanzbehörde die in den Verwaltungsanweisungen definierten Verschonungsvoraussetzungen für „Wohnungsunternehmen“ im Einzelfall nicht als erfüllt ansehen, wäre ein Gericht im Rahmen eines finanzgerichtlichen Streitverfahrens nicht an die von der Finanzverwaltung aufgestellten Prüfungsgrundsätze gebunden (vgl. zu einer vergleichbaren Konstellation z.B. FG Münster vom 04.11.2015 – 9 K 3478/13 F, EFG 2016 S. 412, rkr.) bzw. könnte den maßgeblichen Verschonungstatbestand aufgrund der abweichenden Auffassung des BFH ggf. hiervon unabhängig (und bedeutend enger) auslegen. Eine vor Anteilsübertragung erteilte verbindliche Auskunft sorgt insoweit für hinreichende Planungssicherheit (vorbehaltlich der noch offenen beihilferechtlichen Problematik; s. hierzu de Weerth, DB 2016 S. 2692).

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