3. Mai 2018
In Zeiten des Fachkräftemangels und des damit verbundenen „Employer Brandings“ versuchen Arbeitgeber oftmals, potentielle Bewerber durch eine markante Stellenanzeige anzusprechen und bereits in der Stellenbeschreibung die Modernität des Unternehmens zu bewerben. Sie laufen dabei Gefahr, durch Begriffe wie „jung“, „modern“ oder „dynamisch“ beim Bewerber den Eindruck zu erwecken, Kandidaten eines bestimmten Alters seien von vorn herein unerwünscht.
Nach § 7 Abs. 1 i.V.m. § 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität benachteiligt werden. Dies gilt nicht nur im laufenden Arbeitsverhältnis, sondern bereits im Bewerbungsverfahren. Nach § 11 AGG darf ein Arbeitsplatz nicht unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1 AGG ausgeschrieben werden. Ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot kann zu Schadensersatzansprüchen des abgelehnten Bewerbers führen, auch unabhängig davon, ob dieser tatsächlich eingestellt worden wäre, § 15 Abs. 1, 2 AGG. Dem Bewerber kommt hierbei eine besondere Beweisregel zu Gute: Er wird im Regelfall nicht nachweisen können, ob eine Nichteinstellung aufgrund zulässiger (z.B. fachlicher) Gründe erfolgte oder ob für die Nichteinstellung eine unzulässige Benachteiligung mitursächlich war. Daher genügt es, wenn er in einem Rechtsstreit Indizien beweist, die eine unzulässige Benachteiligung vermuten lassen. Gelingt ihm dies, muss der Arbeitgeber beweisen, dass kein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot vorlag, § 22 AGG.
Wann eine Stellenanzeige ein Indiz für die Benachteiligung eines Bewerbers ist, ist immer wieder Gegenstand arbeitsgerichtlicher Auseinandersetzungen. Hierzu hatte das Bundesarbeitsgericht einen Fall zu entscheiden, in dem die Klägerin in einer Stellenanzeige eine ganze Reihe von Indizien für eine unzulässige Benachteiligung sah. Zu Unrecht, wie das Gericht befand. (BAG, Urt. v. 23. November 2017 – 8 AZR 604/16).
Ein im Jahr 2004 gegründetes Handelsunternehmen suchte einen „Software Entwickler (Java) (m/w).“ In der Stellenausschreibung beschrieb sich die Gesellschaft als „ein junges und dynamisches Unternehmen mit 65 Mitarbeitern“. Weiter hieß es, das Unternehmen entwickle sein Handelssystem „agil mit modernen Werkzeugen und Methoden“. In „dynamischen Teams“ könnten „die Aufgabenbereiche gewechselt werden, so dass keine Langeweile aufkommt.“ Besetzt werden sollte „eine Vollzeitstelle mit flexiblen Arbeitszeiten“.
Die Klägerin, eine 54-jährige deutsche Staatsangehörige russischer Herkunft mit einem Studienabschluss als Systemtechnik-Ingenieurin, bewarb sich erfolglos auf die Stelle. Sie wurde nicht zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen. Mit ihrer Klage begehrte sie Schadensersatz wegen einer angeblichen Diskriminierung. Die Beschreibung als „junges und dynamisches Unternehmen“ sowie die Beschreibungen „agil mit modernen Werkzeugen und Methoden“ und „in dynamischen Teams“, so sah es die Klägerin, würden eine Altersdiskriminierung indizieren. Ferner legten die Ausschreibung der Stelle als Vollzeitstelle sowie die Verwendung der männlichen Form („Mitarbeiter“) eine Diskriminierung aufgrund ihres weiblichen Geschlechts nahe. Zusätzlich weise eine Gesamtbetrachtung des Sachverhalts (ältere, weibliche Bewerberin nichtdeutscher Herkunft) bereits unabhängig vom Vorliegen einzelner Diskriminierungsmerkmale auf eine intersektionelle Benachteiligung hin.
Das BAG hat in keiner der Formulierungen aus der Stellenanzeige ein Indiz für eine Benachteiligung gesehen und die Klage auf Schadensersatz abgewiesen.
Zu der angeblichen Altersdiskriminierung trifft das BAG folgende Unterscheidung: Sofern eine Stellenausschreibung eine Tätigkeit in einem „jungen dynamischen Team“ verspreche, könne dies ein Indiz für eine unmittelbare Diskriminierung wegen Alters sein, da der Begriff „jung“ unmittelbar an das Lebensalter geknüpft sei. Denn ein solcher Hinweis könne von einem Bewerber nur so verstanden werden, dass ein Arbeitnehmer gesucht werde, der ebenso jung und dynamisch sei. Die streitgegenständliche Stellenausschreibung war jedoch in einem entscheidenden Punkt anders: Als „jung und dynamisch“ wurde vorliegend nicht das Team beschrieben, sondern das Unternehmen. Eine solche sog. „unternehmensbezogene Information“ ist laut BAG nicht zu beanstanden. Das Unternehmen sei nun mal – da vor gut zehn Jahren gegründet – jung. Ausdrücklich weist das Gericht darauf hin, die Bewertung könne sich ändern, wenn es sich um ein länger bestehendes Unternehmen handele. Dann würden sich die Attribute „jung“ und „dynamisch“ zwangsläufig auf etwas anderes beziehen als auf das Unternehmensalter; nämlich möglicherweise – dies führt das BAG allerdings nicht ausdrücklich aus – auf das gewünschte Alter des Bewerbers. Auch die weiteren Inhalte der Stellenbeschreibung würden nicht auf eine Benachteiligung wegen Alters hinweisen. Dass das Unternehmen „agil und mit modernen Werkzeugen“ entwickle, sei lediglich eine Beschreibung der Arbeitsweise und daher altersneutral.
Indizien für eine Benachteiligung wegen des Geschlechts erkennt das BAG – im Einklang mit seiner ständigen Rechtsprechung – ebenfalls nicht: Durch den Klammerzusatz „(m/w)“ werde hinreichend deutlich, dass Männer und Frauen gleichzeitig angesprochen werden sollten. Die Bezeichnung der Stelle als Vollzeitstelle sei ebenfalls kein Indiz, da der Arbeitgeber lediglich zu verstehen gebe, dass sich die Stelle nicht für Teilzeit eigne. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass Frauen möglicherweise häufiger an einer Teilzeitstelle interessiert sind und häufiger in Teilzeit arbeiten als Männer. Dies erlaube keinen Rückschluss auf eine Präferenz des Arbeitgebers für männliche Bewerber.
Eine klare Absage erteilt das BAG der Sichtweise, es könne auch allein aufgrund des Zusammenspiels der Gründe „Alter“, „Geschlecht“ und „ethnische Herkunft“ von einer vom AGG verbotenen „intersektionellen Benachteiligung“ ausgegangen werden. Nach der Systematik des AGG sei jede Benachteiligung im Hinblick auf den einzelnen Grund gesondert zu prüfen. Eine neue, aus der Kombination mehrerer Gründe resultierende Diskriminierungskategorie, die sich dann feststellen ließe, wenn eine Diskriminierung wegen dieser Gründe – einzeln betrachtet – nicht nachgewiesen ist, sei im AGG systemfremd.
Das BAG erweitert seine umfassende Judikatur zur Indizwirkung von benachteiligenden Stellenausschreibungen und macht abermals deutlich, dass Arbeitgeber bereits bei der Abfassung der Stellenanzeige große Vorsicht und Genauigkeit walten lassen sollten.
Das BAG führt mit der Kategorie der „unternehmensbezogenen Information“ ein neues Merkmal im Diskriminierungsrecht ein. Ein dem Gründungsdatum nach junges Unternehmen darf sich in einer Stellenausschreibung als solches bezeichnen, ohne sich der Altersdiskriminierung verdächtig zu machen. Das BAG erkennt die Bezeichnung als „junges, dynamisches Unternehmen“ ausdrücklich nur dann als unbedenklich an, sofern es sich tatsächlich um ein junges Unternehmen handelt. Wenn sich die „Jugend“ des Unternehmens nicht anhand des Gründungsdatums belegen lässt, sollte auf diese Selbstbeschreibung in Stellenanzeigen verzichtet werden.
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