16. April 2018

Franchise und AGB-Recht – ein Überblick

Franchiseverträge sind in der Regel einheitlich gestaltete Formularverträge. Daher unterliegen sie häufig dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) und damit der im internationalen Vergleich strengen AGB-Kontrolle gemäß §§ 307 ff. BGB. Im Folgenden finden Sie einen Überblick über wesentliche Themen und Hinweise für die Praxis.

 

1. Qualifikation als AGB

 

Klauseln in Franchiseverträgen sind häufig im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB „für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert“. Davon ist auf Basis der überwiegenden Rechtsprechung regelmäßig auszugehen, wenn die Klauseln für eine Verwendung in mindestens drei Fällen konzipiert sind; das bedeutet zugleich, dass unerheblich ist, ob die „Vielzahl“ bestimmt (z.B. 20) oder unbestimmt ist. Wenn der Franchisegeber seine Formularverträge selbst in die Vertragsgespräche einbringt und ihre Verwendung verlangt, liegt auch das für AGB konstitutive weitere Merkmal des „Stellens“ vor. Dass die Klauseln nicht außerhalb des Formularvertrags stehen (wie die typischen AGB), sondern dessen Bestandteil sind, ist nach § 305 Abs. 1 Satz 2 BGB unerheblich.

2. Einbeziehung in den Franchisevertrag

Soweit die Vertragsbedingungen im (Haupt-)Formularvertrag enthalten sind, der von den Parteien unterzeichnet wird, liegt eine wirksame Einbeziehung in den Franchisevertrag vor. In der Regel liegt auch eine Einbeziehung vor, was Klauseln in den Franchise-Handbüchern, Franchise-Richtlinien und sonstigen Regelungen außerhalb des eigentlichen Formularvertrags angeht, soweit deren Einbeziehung durch entsprechende Verweise im Hauptvertrag deutlich wird.

  • Es lohnt sich allerdings im Streitfall stets, dies genau zu überprüfen; möglicherweise sind die Verweise nicht hinreichend, bzw. ungenau.
  • Franchisegeber sind gut beraten, eindeutige Verweise auf solche Regelungen aufzunehmen, die sie einbeziehen wollen, die aber außerhalb des Hauptvertrages zu finden sind. Dabei sind „dynamische Verweisungen“ problematisch, d.h. Regelungen, in denen auf die Bedingungen „in ihrer jeweils geltenden“, vom Franchisegeber formulierten Fassung verwiesen wird. Vgl. zu Änderungsvorbehalten die Ausführungen unten, Ziffer 5.8.

3. Aushandeln

Denkbar ist selbstverständlich, dass die Vertragsparteien einzelne Passagen oder auch den Vertrag insgesamt aushandeln (§ 305 Abs. 1 Satz 3 BGB). Ausgehandelte Klauseln sind keine AGB, und die Regelungen zur AGB-Inhaltskontrolle gelten für sie nicht. Die Anforderungen an ein Aushandeln sind allerdings hoch. Vereinfacht formuliert ist dafür notwendig, dass der Verwender der Klausel (Franchisegeber) seinem Verhandlungspartner die ernsthafte Möglichkeit zur Änderung des Klauselinhalts gegeben und dieser sich frei und eigenständig bezüglich ihrer Geltung entschieden hat. Indizien für ein Aushandeln sind insbesondere Änderungen an einzelnen Klauseln.

Sofern es gewünscht ist, Klauseln der AGB-Inhaltskontrolle zu entziehen, sollte dem Vertragspartner klar kommuniziert werden, dass er die Möglichkeit zur Beeinflussung der vorformulierten Klauseln hat. Soweit dann tatsächlich Änderungsvorschläge durch den Vertragspartner erfolgen und akzeptiert werden, besteht die Chance, dass Gerichte die Klauseln als ausgehandelt anerkennen. In Ausnahmefällen können in der Praxis sogar ganze Verträge als „ausgehandelt“ qualifiziert werden, gerade vor nicht-staatlichen Gerichten, wenn klare Belege für umfassende Verhandlungen/Gespräche und Änderungen an Klauseln vorliegen. Dies ist allerdings nach wie vor die Ausnahme.

4. „Kontrollfreie“ Klauseln

Bestimmte Klauseln sind gemäß § 307 Abs. 3 BGB der Inhaltskontrolle entzogen (sog. „kontrollfreie“ Klauseln). Dies gilt insbesondere für die Vereinbarung, welche Parteien den Vertrag schließen, für Vereinbarungen über die Preise und Beschreibungen der Hauptleistungen der Parteien. Somit sind z.B. die Vereinbarungen über die Höhe der Franchisegebühren idR nicht Gegenstand der AGB-Kontrolle. Auch Vereinbarungen bzgl. Umsetzung der Corporate Identity, Gebietszuweisungen oder zur Verwendung der Marke des Franchisegebers durch den Franchisenehmer sind regelmäßig kontrollfrei. Deklaratorische Klauseln, die lediglich die Gesetzesinhalte wiedergeben, sind ebenfalls nicht Gegenstand der Inhaltskontrolle.

  • Einwände, Regelungen über Preise oder Beschreibungen von Leistungen seien unwirksam, sind regelmäßig unzutreffend. Allerdings können erfahrungsgemäß z.B. Leistungsbeschreibungen fließend in andere Regelungen übergehen. Bei der Vertragsgestaltung sollte dies berücksichtigt werden und eine saubere Trennung von sonstigen Regelungen erfolgen.

5. Gegenstand der Inhaltskontrolle

 

Abseits der kontrollfreien Klauseln greift die AGB-Inhaltskontrolle. Danach sind Bestimmungen in AGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB). Gegenstand der Inhaltskontrolle sind somit typischerweise (vorbehaltlich eines Aushandelns, s. oben) etwa Berichtspflichten, Kontroll- und Weisungsrechte, Haftungsbeschränkungen, Bezugsbindungen und Wettbewerbsverbote, Beschränkungen von Rückzahlungspflichten, Regelungen zu Berichtspflichten, Kündigungsregelungen, Rücknahmeverpflichtungen des Franchisegebers bei Beendigung des Vertrags, wie auch Vertragsstrafenregelungen und Änderungsvorbehalte. Hier ein Überblick zu ausgewählten Aspekten:

5.1 Berichtspflichten

Es ist für die enge Zusammenarbeit der Parteien im Rahmen eines Franchiseverhältnisses grundsätzlich notwendig, dass die Franchisenehmer an den Franchisegeber solche Informationen berichten, die für diesen objektiv betrachtet wesentlich sind. Dies betrifft z.B. Informationen über Marktentwicklungen, das Verhalten von Wettbewerbern und die Rückmeldung von Kunden bezüglich der vertriebenen Produkte; solche Informationen sind auch für den Erfolg des Systems als Ganzes wesentlich, und die Kenntnis solcher Informationen durch den Franchisegeber ist daher auch zum Vorteil der Franchisenehmer. Entsprechende Regelungen sind also AGB-rechtlich unproblematisch. Anders liegt es, wenn z.B. die Berichtsfrequenzen extreme Ausmaße annehmen und mit der Selbstständigkeit des Franchisenehmers nicht mehr vereinbar erscheinen.

  • Als Faustformel kann gelten: Solche Berichtspflichten, die insbesondere bezüglich Umfang und Frequenz objektiv nachvollziehbar und im Sinne des Systems sind, sind auch AGB-rechtlich zulässig.

5.2 Verhaltensrichtlinien und Weisungsrechte

Wie schon bei den Berichtspflichten sind alle in einem objektiv betrachtet „normalen“ Maß vorgeschriebenen Verhaltensrichtlinien und Weisungsrechte – faustformelartig formuliert – zulässig. Gerade weil ein einheitlicher Außenauftritt für das System wesentlich ist, müssen bestimmte allgemeine Richtlinien eingehalten werden. Dasselbe gilt für Weisungsrechte. Umgekehrt sind Weisungsrechte etwa zu Aspekten, die den eigenen Verantwortungsbereich des Franchisenehmers berühren (wie z.B. Entscheidungen über Umfang/Größe des Betriebes), regelmäßig unangemessen (im Einzelfall kann die Beurteilung sehr schwierig sein).

Auch hier gilt die o.a. Faustformel entsprechend.

5.3 Haftungsbeschränkungen

Bezüglich Haftungsbeschränkungen gelten die allgemeinen Grenzen, wie sie der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung entwickelt hat. Somit sind die üblichen Vorgaben bezüglich Haftungsbeschränkungen zu beachten, wie insbesondere (nicht abschließend) - die Unzulässigkeit von Beschränkungen insbesondere für die Haftung wegen Vorsatz und grober Fahrlässigkeit und für die Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit; und - bei leichter Fahrlässigkeit die Differenzierung zwischen Verletzungen wesentlicher Vertragspflichten und Verletzungen nicht wesentlicher Vertragspflichten. Außerhalb der Vorgaben des Bundesgerichtshofs sind Haftungsbeschränkungen in AGB in der Regel unwirksam.

Eine differenzierte Klauselgestaltung ist unumgänglich.

5.4 Bezugsbindung; Untersagung von Wettbewerbstätigkeiten

Bezugsbindungsklauseln sind regelmäßig ein notwendiger Bestandteil von Franchiseverträgen und daher im Normalfall nicht unangemessen, jedenfalls soweit sie zur Erreichung eines einheitlichen Systemaußenauftritts, zum Schutz der Marke beziehungsweise des Franchisekonzepts, notwendig sind. Auch die Untersagung von Wettbewerb durch den Franchisenehmer im Formularvertrag des Franchisegebers ist aus AGB-Sicht grundsätzlich nicht zu beanstanden, schließlich hat der Franchisegeber ein nachvollziehbares Interesse daran, dass der Franchisenehmer das Franchisesystem während der Vertragslaufzeit nicht unterminiert beziehungsweise offen angreift. Die kartellrechtliche Würdigung der vorgenannten Klauseln ist nicht Gegenstand dieses Beitrags, muss aber unbedingt erfolgen.

5.5 Beschränkungen von Rückzahlungspflichten

Hier gibt es diverse Varianten. Klauseln, die dem Franchisenehmer pauschal untersagen, z.B. die Eintrittsgebühr ohne Rücksicht auf die Vertragsdauer und den Beendigungsgrund bei Vertragsbeendigung zurück zu verlangen, sind unangemessen und unwirksam. Soweit es gute Gründe für Beschränkungen von Rückzahlungspflichten gibt, kann eine sorgfältige Klauselgestaltung aber zur Wirksamkeit der jeweiligen Regelung führen. Insbesondere den Gründen für die Vertragsbeendigung sollte die Gestaltung Rechnung tragen.

Eine differenzierte Betrachtung und Klauselgestaltung ist erforderlich.

5.6 Kündigungsregelungen

Es ist in der Diskussion, welche Kündigungsfristen bei auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Franchiseverträgen angemessen sind (auch wenn eine Orientierung an den für Handelsvertreterverträge vorgesehenen Fristen gemäß § 89 Abs. 1 HGB sinnvoll erscheint).

  • Im Hinblick auf Unwirksamkeitsrisiken sollten die Kündigungsfristen mit Augenmaß auf Basis der Umstände (z.B. Höhe der Investitionen der Franchisenehmer; Planungssicherheit für beide Seiten) und der Ausgestaltung des Systems bestimmt werden.

Klar ist dagegen, dass vertraglich normierte außerordentliche Kündigungsgründe der AGB-Kontrolle unterliegen. Soweit diese nicht als „wichtige“ Gründe gemäß den gesetzlichen Regelungen angesehen werden können, weil sie tatsächlich „unwichtige“ Aspekte betreffen, sind die Regelungen unangemessen und unwirksam. Vgl. zum Themenkreis „Außerordentliche Kündigung“ auch den Beitrag.

5.7 Rücknahmepflichten des Franchisegebers bei Vertragsbeendigung

Die AGB-rechtlich zulässige und zugleich pragmatische Regelung von Rücknahmepflichten etwa bezüglich der relevanten Franchiseprodukte ist eine Herausforderung. Wird der Franchisenehmer vertraglich zur Lagerhaltung im Hinblick auf die Produkte verpflichtet, dann besteht grundsätzlich eine Rückkaufverpflichtung des Franchisegebers. Sinnvoll ist ggf. eine Regelung, wonach bei Beendigung des Vertrages der noch vorhandene Bestand an Franchiseprodukten zum Einkaufspreis an den Franchisegeber zurückverkauft wird. Dabei können Preisabschläge vorgesehen werden (etwa unter Berücksichtigung des Umstandes, wer die Vertragsbeendigung zu vertreten hat). Es ist denkbar aufzunehmen, dass die Rückkaufverpflichtung entfällt, wenn der Franchisegeber den Vertrag aus einem wichtigen, vom Franchisenehmer zu vertretenden Grund kündigt.

  • Da die Lagerware wie auch ihr Rückkauf sehr teuer sein kann, ist eine sorgfältige Klauselgestaltung wesentlich. Es bestehen verschiedene Regelungsoptionen, die sorgfältig geprüft werden sollten.

5.8 Änderungsvorbehalte

Grundsätzlich ist anerkannt, dass Franchisegeber die Möglichkeit haben müssen, das Franchisesystem bzw. das Franchisekonzept weiter zu entwickeln, um im Wettbewerb bestehen zu können. Daran haben auch die angeschlossenen Franchisenehmer ein großes Interesse. Dem entsprechend müssen sie auch verpflichtet sein, an der einheitlichen Umsetzung von Weiterentwicklungen mitzuwirken, d.h. der Franchisegeber muss sich vorbehalten können, Änderungen vorzunehmen, die verbindlicher Vertragsbestandteil werden. Die entscheidende Frage ist allerdings, wieweit ein solcher Änderungsvorbehalt geht. Da dies nicht für alle Einzelfälle geregelt werden kann, sind Umschreibungen erforderlich, die einzelne Aspekte konkret benennen; einige Grenzen sind auch durch die höchstrichterliche Rechtsprechung gezogen worden. Denkbar ist insbesondere, dass der Änderungsvorbehalt unter Bezug auf das Erfordernis der Wettbewerbsfähigkeit des Systems einerseits ausdrücklich Änderungen an den Produkten/Leistungen, an dem System als solchem und an der Franchisemethode vorsieht, andererseits eine Berücksichtigung der Interessen der Franchisenehmer und Informationspflichten des Franchisegebers gegenüber den Franchisenehmern vorschreibt.

Auch hier ist eine differenzierte Klauselgestaltung erforderlich.

6. Fazit

 

Insgesamt zeigt sich, wie wesentlich eine sorgfältige Vertragsgestaltung ist. An den dargestellten Einzelfragen lässt sich leicht erkennen, wie viele Aspekte es zu bedenken gilt. Franchisegeber sollten die für sie wesentlichen Regelungen detailliert mit den vertragsgestaltenden Anwälten besprechen, um sicherzustellen, dass ihre Belange durch differenzierte Regelungen effektiv und wirksam abgebildet werden.

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